Aktive Helferlein: Blutplättchen sind nicht nur wichtig für die Wundheilung. Sie spielen offenbar auch eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr, wie eine Studie nun zeigt. Demnach bewegen sich diese Zellen aktiv zu Entzündungsstellen im Körper hin – und fangen dort Krankheitserreger wie Bakterien ein. Auf diese Weise helfen sie dem Immunsystem, unerwünschte Eindringlinge zu beseitigen.
Sie sind die kleinsten Zellen des Blutes und zirkulieren neben den weißen und roten Blutkörperchen durch unseren Kreislauf: die Blutplättchen, in der Fachsprache Thrombozyten genannt. Rund 750 Milliarden von ihnen bewegen sich im menschlichen Körper. Dabei erfüllen sie wichtige Aufgaben – vor allem bei der Wundheilung.
Blutplättchen reagieren auf Verletzungen und spielen eine entscheidende Rolle für die Blutgerinnung. Sie heften sich an die verletzte Stelle an und vernetzen sich dort miteinander. Auf diese Weise dichten sie die Wunde ab. Doch die kleinen Zellen können offenbar noch viel mehr: Wie Wissenschaftler um Florian Gärtner von der Universität München nun herausgefunden haben, übernehmen Thrombozyten auch bei der Immunabwehr einen erstaunlich aktiven Part.
Zellulärer Straßenkehrer
Für ihre Studie entwickelten die Forscher eine Methode, mit der sich über einen längeren Zeitraum visualisieren lässt, wie sich einzelne Blutplättchen durch den Organismus bewegen – und was sie bei einer Immunreaktion tun. Es zeigte sich: Blutplättchen wandern aktiv zu Entzündungsstellen hin und fangen dort wie ein zellulärer Straßenkehrer Fremdkörper ein, zum Beispiel Bakterien.
Die dabei entstehenden Verbindungen aus einem Blutplättchen und mehreren Bakterien rufen dann wiederum Fresszellen auf den Plan, die die so gebundenen Erreger als Ganzes beseitigen. „Blutplättchen sind also wichtig für die Abwehr von Bakterien. Sie besitzen die Fähigkeit, sich aktiv im Organismus zu bewegen um mit Erregern zu interagieren und diese zu binden“, fasst Gärtner zusammen.
Aktives Verhalten auch ohne Zellkern
Diese aktive Rolle der Thrombozyten war für die Wissenschaftler durchaus überraschend. Weil Blutplättchen keinen Zellkern haben, schien ein solches dynamisches Verhalten bisher eher unwahrscheinlich. Die neuen Erkenntnisse zeigten jedoch, dass die Zellen trotzdem dynamische Strukturen annehmen und sich selbstständig fortbewegen können, schreibt das Team.
Damit ist die Studie nicht nur für die Immunforschung von Bedeutung: Sie trägt zugleich zur Klärung der grundlegenden Frage bei, über welche Fähigkeiten Zellen ohne Zellkern verfügen. „Es ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die Bewegungsmaschinerie der Zelle unabhängig vom Zellkern ist“, sagt Gärtner.
Ansatzpunkt für neue Medikamente
Die neuen Ergebnisse machen Blutplättchen zudem zu einem interessanten Ziel bei der Entwicklung von Medikamenten, um überschießende Entzündungsreaktionen in den Griff zu bekommen. „Man kann in die Abwehrmechanismen des Körpers eingreifen, indem man die Migrationsfunktion der Thrombozyten unterbindet“, erklärt Gärtner. (Cell, 2017; doi: 10.1016/j.cell.2017.11.001)
(Ludwig-Maximilians-Universität München, 19.12.2017 – DAL)