Medizin

Blutzellen als Medikamentenfähren?

Modifizierte rote Blutkörperchen könnten Wirkstoffe zum richtigen Ziel im Körper bringen

Blutzellen
Transportieren rote Blutkörperchen demnächst Medikamente in unseren Körper? © PhonlamaiPhoto/ iStock.com

Zelluläre Taxis: Rote Blutkörperchen eignen sich womöglich als Medikamentenfähren. Denn diese Zellen lassen sich so verändern, dass sie Wirkstoffe zu bestimmten Zielen im Körper liefern – von Infektionsherden bis hin zu Tumoren. Der Vorteil: Anders als rein synthetische Moleküle werden die Blutkörperchen vom Immunsystem nicht als fremd erkannt. Sie können ihre Ladung daher unbehelligt durch den Organismus transportieren, wie die Forscher berichten.

Damit Medikamente wirken können, müssen sie im Körper zunächst das richtige Ziel erreichen. Zu diesem Zweck nutzen Mediziner mitunter sogenannte Wirkstofffähren. Sie umschließen die Mittel zum Beispiel wie eine Kapsel und transportieren sie an den gewünschten Ort im Organismus.

Klassische Varianten solcher Medikamententaxis bestehen oft aus synthetischen Molekülen. Doch daraus ergibt sich ein Problem: Das Immunsystem erkennt diese Moleküle als fremd und setzt Abwehrreaktionen in Gang. Sinnvoller wäre es daher, körpereigene Strukturen als Transportvehikel zu nutzen.

Blutkörperchen mit besonderer Ladung

Sebastian Himbert von der McMaster University in Hamilton und seine Kollegen haben genau das nun ausprobiert – und Medikamente in roten Blutkörperchen versteckt. Diese Zellen, deren Hauptaufgabe der Sauerstofftransport ist, sind äußerst stabil und hochflexibel. Sie können sich durch die engsten Gefäße zwängen und praktisch jeden Winkel des Körpers erreichen. Diese Eigenschaft macht sie zu einem perfekten Kandidaten für eine Wirkstofffähre.

Für ihre Studie entwickelten die Forscher eine Methode, um die Blutkörperchen zu öffnen und ihren Inhalt mit einem Medikamentenmolekül zu ersetzen. Außerdem manipulierten sie die molekulare Struktur der Zellen so, dass sich deren Oberfläche veränderte.

Als Folge verhalten sich diese Zellen zwar wie normale Blutkörperchen. Anders als das natürliche Pendant können sie sich dank ihrer speziell angepassten Oberflächenstruktur aber gezielt an Bakterien oder andere Ziele wie bestimmte Organe oder Tumore anheften – und ihre Ladung dort freilassen, wie das Team berichtet.

„Perfekte Tarnkappe“

„Wir haben eine neue Struktur erschaffen, die es so noch nicht gegeben hat. Der gesamte Prozess ist sehr effizient und lässt sich innerhalb eines Labortags erledigen“, erklärt Himberg. „Wir glauben, dass sich unsere Blutkörperchen als perfekte Tarnkappe eignen, um das Immunsystem zu überlisten und Medikamente in den Körper zu schleusen“, ergänzt sein Kollege Maikel Rheinstädter.

In Zukunft könnten die roten Medikamentenfähren aus Blutspenden von Patienten gewonnen und in ihrer veränderten Form wieder in den Organismus injiziert werden. Weil sie zielgerichtet wirken, lässt sich mit ihrer Hilfe auch die für einen Therapieerfolg nötige Dosis reduzieren. Dies ist den Forschern zufolge besonders bei potenten Wirkstoffen wichtig, die etwa im Kampf gegen Krebs und Alzheimer oder Infektionen mit resistenten Keimen zum Einsatz kommen. (Advanced Biosystems, 2020; doi: 10.1002/adbi.201900185)

Quelle: McMaster University

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