Die krebshemmende Wirkung von Cannabispräparaten ist umstritten. Doch zumindest gegen einige Tumortypen könnte hochreines Cannabidiol tatsächlich helfen, wie nun Experimente nahelegen. Das CBD blockiert demnach einen Signalweg von Glioblastomzellen – einer Form von Hirntumoren – und treibt die Krebszellen dadurch in den Zelltod. Allerdings: Dieser Effekt tritt nur bei bestimmten Tumortypen auf und funktioniert nicht mit CBD-Allerweltspräparaten, wie die Forscher betonen.
Die Cannabispflanze produziert neben dem rauscherzeugenden Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinoid (THC) auch eine Reihe weiterer, nicht psychotroper Substanzen, darunter das Cannabidiol (CDB). Dieses erfreut sich wachsender Beliebtheit als Lifestyle-Produkt und Mittel gegen Beschwerden von Schlaflosigkeit über Stimmungstiefs bis hin zu chronischen Entzündungen oder sogar Krebs – so jedenfalls verspricht es die Werbung.
Doch nach wissenschaftlichen Standards sind die meisten dieser Wirkungen bisher nicht belegt. „Alle weit verbreiteten Meldungen über die allgemein entzündungshemmenden und tumorunterdrückenden Wirkungen von CBD aus Nahrungsergänzungsmitteln sind sehr zweifelhaft“, betont Rainer Glaß vom LMU Klinikum München Großhadern.
CBD gegen Glioblastomzellen
Doch es gibt einen Bereich, in dem hochreines Cannabidiol möglicherweise durchaus helfen könnte – bei bestimmten Arten von Hirntumoren. Schon länger ist bekannt, dass bestimmte Zellen des Gehirns körpereigene Cannabinoide ausschütten, wenn sich beispielsweise ein Glioblastom gebildet hat. An diesem häufigen und zugleich bösartigen Hirntumor erkranken allein in Deutschland jährlich etwa 4.000 Menschen, rund die Hälfte davon stirbt innerhalb von 16 Monaten nach der Diagnose.
Um herauszufinden, welchen Effekt Cannabinoide auf diesen Hirntumor haben, führten Glaß und sein Team Zellkulturversuche mit Glioblastomzellen von Menschen und Mäusen durch. Sie setzen den Kulturen hochreines Cannabidiol in Form des Epilepsiepräparats Epidiolex zu und beobachteten, wie die Tumorzellen darauf reagierten. Dafür nutzten sie biochemische und zellbiologische Analysen, untersuchten die Genexpression der Zellen und führten pharmakologische Assays durch.
Krebszellen in den Zelltod getrieben
Das Ergebnis: Binnen zwei bis drei Tagen nach Gabe des Cannabidiols starben die meisten Glioblastomzellen ab. Die Analysen enthüllten, dass das CBD einen Signalweg blockiert, der normalerweise das Wachstum der Tumorzellen fördert. In Anwesenheit von Cannabidiol kann dieser NFκB genannte Transkriptionsfaktor aber in einen Tumorsuppressor umgewandelt werden, wie die Forschenden berichten.
Als Folge kommt es zum zellulären Selbstmord der Tumorzellen. „CBD induziert den Zelltod bestimmter Glioblastome“, sagt Glaß. Damit habe man eindeutige Beweise für den tumorbekämpfenden Effekt von hochreinem CBD bei zumindest einigen dieser bösartigen Hirntumore. Allerdings: „Es gibt auch Tumore, die nicht therapeutisch auf CBD ansprechen“, so der Forscher. Wie Tests ergaben, reagieren offenbar nur bestimmten Typen von Glioblastomzellen auf das CBD.
Hoffnung auf neue Glioblastom-Therapien
Nach Ansicht der Wissenschaftler wecken diese Ergebnisse die Hoffnung, dass sich zumindest einige Formen von Glioblastomen mit hochreinem CBD behandeln lassen könnten. „Unsere Resultate demonstrieren, dass ein klinisch schon zugelassener Wirkstoff NFκB in einen Tumorsuppressor umwandeln kann“, so das Team. „Das deutet auf vielversprechende Optionen eines Einsatzes auch für die Glioblastom-Therapie hin.“
Die Prämissen für eine nun folgende klinische Erprobung seien gut, wie die Forscher erklären. Denn das CBD-Präparat Epidiolex ist von den Zulassungsbehörden hinsichtlich seiner Arzneimittelsicherheit bereits abgesegnet. Zudem dringt die Substanz gut ins Gehirn ein, was nur wenige Wirkstoffe überhaupt schaffen. Und die Substanz sei in der Regel so gut verträglich, dass man sie sogar kleinen Kindern verabreichen könne, so Glaß.
Mediziner warnen vor vorschneller Einnahme von CBD
Allerdings warnen Glaß und sein Kollegen dringend davor, nun handelsübliche CBD-Präparate in Hoffnung auf eine krebshemmende Wirkung einzunehmen. „Man weiß nie, was man da bekommt, wenn man an Reinheit, Zusammensetzung und Konzentration des Wirkstoffes denkt“, sagt Glaß. „Da sollte man besser abwarten, bis die Wissenschaft gute Daten und pharmakologisch einwandfreie Wirkstoffe vorlegen kann – vielleicht sogar nicht nur im Kampf gegen den Krebs, sondern auch zur Therapie anderer Erkrankungen, die auf Entzündungsreaktionen beruhen wie Rheuma oder Neurodermitis und andere.“ (Neuro-Oncology, 2021; doi: 10.1093/neuonc/noab095)
Quelle: Klinikum der Universität München