Alternatives Antibiotikum: Ein bestimmter Inhaltsstoff der Hanfpflanze wirkt offenbar gegen resistente Bakterien. Wie Experimente zeigen, bekämpft dieses nicht-psychoaktive Cannabinoid unter anderem den berüchtigten Krankenhauskeim MRSA erfolgreich – einen grampositiven Erreger. In Kombination mit anderen Mitteln kann der Wirkstoff auch gramnegativen Keimen den Garaus machen. Bis er als Medikament zum Einsatz kommen kann, ist jedoch noch weitere Forschung nötig.
Die Hanfpflanze ist vor allem für die in ihr enthaltenen Cannabinoide bekannt – Substanzen mit teils berauschenden, aber auch medizinischen Wirkungen. So können einige dieser Inhaltsstoffe unter anderem Schmerzen mildern und Krämpfe lösen. Dies hilft beispielsweise Patienten mit Krebs, aber auch Epilepsie.
Erste Studien deuten zudem darauf hin, dass Cannabis auch im Kampf gegen krankmachende Keime nützlich sein könnte. „Es ist schon länger bekannt, dass Cannabis sativa antibakterielle Cannabinoide enthält, doch deren Potenzial wurde bislang nur oberflächlich untersucht“, erklären Maya Farha von der McMaster University im kanadischen Hamilton und ihre Kollegen. Verstecken sich in der Hanfpflanze womöglich Antibiotika, die sogar Durchschlagskraft gegen resistente Bakterien besitzen?
Cannabinoide im Blick
Um dies herauszufinden, haben die Forscher nun den Test gemacht: Für ihre Studie untersuchten sie 18 kommerziell erhältliche Cannabinoide und nahmen deren Aktivität gegen den berüchtigten Keim MRSA unter die Lupe – darunter das für die Rauschwirkung verantwortliche Tetrahydrocannabinol (THC), aber auch nicht-psychoaktive Substanzen wie Cannabidiol (CND) oder Cannabigerol (CBG).
Letzteres erwies sich bei den ersten Experimenten als vielversprechendster Kandidat. So zeigte Cannabigerol die stärkste antibakterielle Aktivität. Zudem konnte es sowohl die Bildung von bakteriellen Biofilmen auf Oberflächen verhindern als auch bereits bestehende Bakterienansammlungen zerstören, wie das Team berichtet.
Erfolg bei infizierten Mäusen
Aufgrund dieser Ergebnisse analysierten die Wissenschaftler das Potenzial des Wirkstoffs in weiteren Untersuchungen genauer. Dabei zeigte sich: Bei mit MRSA infizierten Mäusen wirkte CBG ebenso gut wie das sehr leistungsstarke Antibiotikum Vancomycin – dieses Medikament wird in der Therapie schwerer Staphylokokken-Infekte als Reserveantibiotikum eingesetzt.
Wie aber macht das Cannbinoid den Bakterien den Garaus? Wie Farha und ihre Kollegen feststellten, greift CBG die Zellmembran grampositiver Bakterien an. Gegen gramnegative Keime, die zusätzlich eine zweite Außenhülle besitzen, kann das Mittel dagegen nichts ausrichten – zumindest nicht alleine. In Kombination mit einem Medikament, welches diese äußere Membran der Keime durchlöchert, wirkte CBG aber auch gegen multiresistente, gramnegative Krankheitserreger.
„Echtes Potenzial“
„Cannabigerol hat sich als hervorragende Waffe gegen krankmachende Bakterien erwiesen“, konstatiert Farhas Kollege Eric Brown. „Diese Ergebnisse legen nahe, dass in Cannabinoiden echtes therapeutisches Potenzial als Antibiotika steckt.“ Bis Cannabigerol als Mittel gegen resistente Keime zum Einsatz kommt, wird es allerdings wohl noch einige Zeit dauern.
Denn bislang gibt es noch ein Problem: Die Experimente offenbarten, dass der Wirkstoff nicht nur auf Bakterienzellen, sondern auch auf Zellen der behandelten Tiere toxisch wirkte. „Der nächste Schritt wird daher nun sein, die Verbindung spezifischer zu machen und das Risiko für Nebenwirkungen zu verringern“, schließt Brown. (ACS Infectious Diseases, 2020; doi: 10.1021/acsinfecdis.9b00419)
Quelle: McMaster University/ American Chemical Society