90 Millionen Menschen stecken sich jährlich mit Chlamydien an. Diese sexuell übertragbaren Bakterien bleiben aber oft zunächst unbemerkt. Jetzt haben deutsche Forscher Hinweise darauf gefunden, dass dieser Erreger die DNA-Reparatur infizierter Zellen stört. Als Folge entarten diese und Krebs entsteht. Eine Infektion mit Chlamydien könnte demnach für viele Fälle von Eierstockkrebs verantwortlich sein. Bestätigt sich dieser Zusammenhang in weiteren Studien, hätte das Bedeutung für die Krebsvorbeugung: Eine Antibiotikatherapie reicht, um die Chlamydien loszuwerden bevor Zellen entarten.
Krebs ist nicht nur eine Frage der Veranlagung oder von schädlichen Umwelteinflüssen, er kann auch durch eine Infektion mit Bakterien oder Viren ausgelöst werden. Bekannt ist dies beispielsweise für das Humane Papilloma Virus (HPV), das Gebärmutterhals- und Rachenkrebs auslösen kann. Aber auch für das Bakterium Helicobacter pylori, das Magengeschwüre verursacht.
Wissenschaftler vermuten jedoch, dass neben Helicobacter noch sehr viel mehr Bakterien das Potenzial haben, Krebs auszulösen. Der Magenkeim könnte nur die Spitze des Eisbergs sein. In Verdacht geraten sind in jüngster Zeit insbesondere Chlamydien, chronisch infektiöse Bakterien, die meist durch sexuelle Kontakte übertragen werden. Sie könnten die Bildung von Eierstockkrebs begünstigen.
Fatale Ruhephase
Mit Chlamydia trachomatis stecken sich jedes Jahr 90 Millionen Menschen neu an, wie Forscher des Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin berichten. Es ist damit eines der weltweit häufigsten sexuell übertragbaren Bakterien. Sie dringen in Schleimhautzellen ein und programmieren ihre Wirtszellen so um, dass sie sich in ihnen vermehren oder darin längere Zeit überleben können. Chlamydien können in ihrer Wirtszellen in ein Ruhestadium übergehen und so für das Immunsystem unsichtbar bleiben. Die Folge sind monate- oder jahrelange chronische Infektionen ohne dass akute Krankheitssymptome auftreten.
Die Forscher des Berliner Max-Planck-Instituts haben nun beobachtet, dass sich während dieser Zeit in den befallenen Zellen aber durchaus etwas tut: Wie sie an Zellkulturen herausfanden, weisen die DNA-Moleküle infizierter Zellen mehr Brüche auf als das Erbgut gesunder Zellen. Normalerweise wird bei solchen Schäden am Erbgut das zelleigene Reparatursystem aktiviert. Es verbindet die gebrochenen DNA-Stränge dann wieder miteinander, ohne dass der genetische Code verändert wird. Lassen sich die Schäden nicht beheben, aktivieren die Zellen einen Selbstzerstörungsmechanismus – sie begehen Selbstmord und verhindern so eine Entartung.
Reparatur und Selbstmord-Programm außer Kraft
Doch genau diese Schutzmechanismen scheinen die Bakterien zu blockieren: „Chlamydien beeinträchtigen die zelleigene Reparaturmaschinerie, indem sie verhindern, dass bestimmte Reparaturenzyme an der geschädigten DNA andocken können“, erklärt Cindrilla Chumduri vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Infizierte Zellen reparieren Schäden deshalb fehlerhaft, so dass die Wirts-DNA mit der Zeit immer mehr Mutationen anhäuft.
Trotzdem sterben die mit Chlamydien infizierten Zellen nicht ab, sondern wachsen einfach weiter, wie die Forscher beobachteten. Das ist eine Folge von Wachstumssignalen, die die Bakterien an ihre Wirtszellen senden. „Für die Chlamydien ist es überlebenswichtig, den programmierten Zelltod zu verhindern, denn dabei würden sie ja mit zugrunde gehen. Den Preis dafür zahlt die Zelle: Sie kann dadurch Schädigungen davontragen und zur Krebszelle werden“, sagt Chumduri.
Damit können die Chlamydien zum Schrittmacher der Krebsentstehung werden, so die Forscher. „Die im Reagenzglas erzielten Ergebnisse müssen zwar noch im lebenden Organismus bestätigt werden“, betont Studienleiter Thomas F. Meyer. „Für die Krebsvorbeugung sind aber solche Erkenntnisse von großer Bedeutung, denn sind die Zusammenhänge zwischen Infektion und Krebsentstehung erst einmal gesichert, wie im Fall des Magenerregers Helicobacter pylori, so ließen sich auch andere Krebsarten durch Impfung verhindern oder mit der Gabe von Antibiotika frühzeitig behandeln.“
(Max-Planck Gesellschaft, 24.06.2013 – NPO)