Explosiv statt schleichend: In überraschend vielen Fällen entsteht Krebs durch ein einmaliges, dramatisches Ereignis – den explosiven Zerfall eines oder mehrerer Chromosomen. Diese sogenannte Chromothripsis liegt bis zu 50 Prozent der Tumoren zugrunde, wie nun eine Studie enthüllt. Bei einigen Krebsarten wie Brustkrebs, Leberkrebs oder Knochenkrebs können es sogar bis zu 80 Prozent sein. Diese Erkenntnis hat auch Bedeutung für die Prognose und Therapie solcher Tumore.
Gängiger Annahme nach entwickelt sich Krebs eher schrittweise, durch eine Ansammlung von Mutationen und DNA-Schäden, die nach und nach zur Entartung der Zelle führen. Sie teilt sich dadurch immer weiter, statt wie normalerweise üblich vom Immunsystem abgetötet zu werden oder durch das zelluläre Selbstmordprogramm von selbst abzusterben. Die Folge ist eine aggressiv wachsende Wucherung – ein Krebstumor.
Katastrophaler Zerfall
Doch es geht auch anders: Schon länger ist bekannt, dass es manchmal zu einer regelrechten „Explosion“ im Erbgut kommen kann. Bei diesem katastrophalen Ereignis zerfällt eines oder mehrere Chromosomen fast völlig. Hunderte bis tausende von DNA-Strangbrüchen treten auf einmal auf, ganze Arme brechen ab, Genabschnitte werden herausgetrennt. Diesem „Totalschaden“ sind die DNA-Reparaturmechanismen der Zellen nicht gewachsen: Sie bauen das zerstörte Chromosom fehlerhaft und unvollständig wieder zusammen.
Das hat fatale Folgen: Oft werden durch diese Chromosomen-„Explosion“ potente Krebsgene aktiviert und die Zelle entartet. „Die Chromothripsis ist mit einem besonders aggressiven Tumorverhalten verknüpft und mit einer schlechten Prognose für die Krebspatienten“, erklären Natalia Voronina vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und ihre Kollegen.