Medizin

Chronische Erschöpfung als Corona-Spätfolge

Mehr als die Hälfte der Covid-19-Patienten leiden noch Monate später an Fatigue

Fatigue
Bleierne Erschöpfung und müder Geist: Selbst bei einer milden Corona-Infektion kann als Spätfolge eine anhaltende Fatigue zurückbleiben. © Tomas Ragina/ iStock.com

Bleierne Schwere: Viele Covid-19-Patienten leiden unter einer chronischen Erschöpfung – noch Monate nach der Coronavirus-Infektion. In einer Stichprobe stellten Forscher bei gut 52 Prozent der Patienten eine solche Fatigue fest. Diese Spätfolge ist unabhängig von der Schwere der Covid-19-Erkrankung und trifft auch Menschen mit einem milden Verlauf. Wie und warum SARS-CoV-2 die chronische Erschöpfung auslöst, ist jedoch bislang unklar.

Immer stärker kristallisiert sich heraus, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht nur akute Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Stattdessen scheint die Infektion mit diesem Virus eine ganze Reihe von Spätfolgen zu verursachen. Zu diesen gehören neurologische Ausfälle und Herzmuskelentzündungen, die noch Wochen nach Ende der akuten Infektion auftreten. Kinder können seltene, aber schwere Entzündungssyndrome entwickeln. Diese Erkrankungen kommen selbst nach einer milden oder sogar asymptomatischen Corona-infektion vor.

Chronische Erschöpfung als Infektionsfolge

Jetzt gibt es Hinweise auf eine weitere Spätfolge der Coronavirus-Infektion: eine chronische Erschöpfung. Sie äußert sich in bleierner Müdigkeit, Muskelschwäche und Konzentrationsproblemen. „Eine solche Fatigue ist ein häufiges Symptom bei einer akuten Covid-19-Erkrankung“, erklären Liam Townsend vom Trinity College in Dublin und seine Kollegen. „In Studien mit Covid-19-Patienten zeigen 34 bis 46 Prozent der Betroffenen eine Fatigue.“

Doch ob diese schwere körperliche und geistige Erschöpfung auch noch nach Ende der akuten Infektion anhält, war bislang unbekannt. Townsend und sein Team haben deshalb 128 Covid-19-Patienten zehn Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus noch einmal untersucht und befragt. Dabei nutzten sie die Chalder Fatigue Scale, einen standardisierten Fragebogen, der zur Diagnose des Chronischen Erschöpfungssyndroms (CFS) verwendet wird.

Mehr als Hälfte leidet später an Fatigue

Das Ergebnis: 52,3 Prozent und damit mehr als die Hälfte der ehemaligen Covid-19-Patienten litten noch immer unter anhaltender Erschöpfung – selbst mehr als zehn Wochen nach Ende der akuten Corona-Infektion. Bei rund einem Drittel der Teilnehmer war die Fatigue sogar so ausgeprägt, dass sie noch immer nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren konnten. Frauen und Personen mit Depression oder Angststörungen waren zudem häufiger betroffen, wie die Forscher berichten.

„Unseres Wissens nach ist dies der erste Bericht über eine post-virale Fatigue bei Menschen, die von einer akuten Covid-19-Erkrankung genesen sind“, sagen Townsend und sein Team. Allerdings sind auch bei einige anderen Virusinfektionen dafür bekannt, dass sie als Spätfolge eine chronische Erschöpfung auslösen können. Zu diesen gehört das Eppstein-Barr-Virus, aber auch das Coronavirus, das 2002/2003 die SARS-Pandemie verursachte.

Bei SARS-CoV-2 scheint diese Fatigue aber besonders häufig vorzukommen. „Angesichts der Tatsache, dass unsere Patienten keinerlei Belege für eine anhaltende Infektion zeigten, ist der hohe Anteil der chronischen Erschöpfung bemerkenswert.“ Denn die Fatigue-Raten seien annähernd so hoch, wie man es sonst bei chronischen Krankheiten beobachte.

Kein Zusammenhang mit der Schwere der Infektion

Interessant auch: Es gab keinerlei Zusammenhang zwischen der Schwere des Verlaufs von Covid-19 und der späteren Erschöpfung, wie die Wissenschaftler feststellten. Die Fatigue traf auch diejenigen, die in der akuten Infektion nur milde Symptome gezeigt hatten. Bei physiologischen Markern wie entzündungsfördernden Cytokinen oder bestimmten Immunzellen konnten sie ebenfalls keine Korrelationen erkennen.

„Das Fehlen eines Zusammenhangs mit der Schwere der Infektion hat weitreichende Bedeutung – sowohl für die Zahl der potenziell betroffenen Patienten als auch für das Gesundheitssystem“, konstatieren Townsend und seine Kollegen. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass alle Personen, die SARS-CoV-2 diagnostiziert wurden, später auf Fatigue hin untersucht werden sollten.“

Im Prinzip kann es fast jeden treffen

Ähnlich sieht es auch Michael Head von der University of Southampton: „Wir sehen immer mehr Belege für ein ‚langes Covid‘ – und Fatigue ist eine ihrer häufig berichteten Nebeneffekte“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Forscher. „Dieses Ausmaß an Spätfolgen ist der Grund, warum es wichtig ist, auch die Ansteckung jüngerer Menschen, die nicht sofort schwerkrank werden, zu verhindern.“ (Preprint MedRxiv; doi: 10.1101/2020.07.29.20164293)

Quelle: MedRxiv

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