Medizin

Ciprofloxacin: Gefahr für die Aorta?

Antibiotikum könnte neben Sehnen auch die Hauptschlagader schädigen

Schadet Ciprofloxacin auch dem wichtigsten Blutgefäß unseres Körpers? © Yodiyim/ iStock.com

Arznei mit dunkler Seite: Das umstrittene Antibiotikum Ciprofloxacin kann womöglich auch der Herzgesundheit schaden. Eine Studie mit Mäusen deutet daraufhin, dass das Medikament die Entstehung lebensgefährlicher Risse in der Gefäßwand der Aorta fördert – vor allem, wenn die Hauptschlagader bereits vorgeschädigt ist. Es ist nicht das erste Mal, dass die Sicherheit dieses Antibiotikums infrage gestellt wird.

Antibiotika können Leben retten. Doch viele dieser Medikamente haben auch Nebenwirkungen – unerwünschte Begleiterscheinungen, die die Gesundheit der Patienten mitunter ernsthaft gefährden können. Ein in diesem Zusammenhang in den vergangenen Jahren vermehrt in die Kritik geratenes Mittel ist das Breitbandantibiotikum Ciprofloxacin aus der Gruppe der Fluorchinolone.

Von dem Medikament ist bekannt, dass es die normale Funktion des Bindegewebes beeinträchtigen und dadurch zu Netzhautablösungen, Sehnenentzündungen und sogar Sehnenrissen führen kann. Dies steht inzwischen auch im Beipackzettel. Wie sich nun zeigt, gehen die möglichen Folgen jedoch noch weit darüber hinaus.

Ein erster Verdacht

Retrospektive klinische Studien haben den Verdacht geweckt, dass Ciprofloxacin durch seine Wirkung auf das Bindegewebe auch die Gesundheit des wichtigsten Blutgefäßes im Körper gefährden kann. Denn: „Die Hauptschlagader ist zum Teil ebenfalls aus stabilem Bindegewebe aufgebaut, der sogenannten extrazellulären Matrix“, sagt Scott LeMaire vom Baylor College of Medicine in Houston.

In den Untersuchungen erkrankten Patienten, die das Antibiotikum eingenommen hatten, häufiger an Aneurysmen sowie Aortendissektionen und –rupturen – lebensgefährlichen Rissen in der Gefäßwand. Doch handelte es sich dabei tatsächlich um einen ursächlichen Zusammenhang?

Risse in der Hauptschlagader

Dies untersuchten LeMaire und seine Kollegen bei Experimenten mit Mäusen. Sie verabreichten Nagern mit gesunden oder leicht vorgeschädigten Aorten über einen Zeitraum von vier Wochen entweder Ciprofloxacin oder ein Scheinmedikament. Das Ergebnis: Bei gesunden Tieren schien sich die Antibiotikagabe nicht negativ auf die Gefäßgesundheit auszuwirken.

Anders sah dies allerdings bei Mäusen mit Vorerkrankungen der Aorta aus: 79 Prozent erkrankten an Aneurysmen – gefährlichen Aussackungen der Gefäßwand. 67 Prozent der Tiere erlitten eine Aufspaltung der Aortenwand, eine sogenannte Aortendissektion und 15 Prozent sogar eine tödliche Ruptur der Hauptschlagader. Ohne Ciprofloxacin kam es in dieser Gruppe dagegen nur bei 45 Prozent zu Aneurysmen und bei 24 Prozent zu Aortendissektionen. Einen tödlichen Riss der Aorta erlitt keines der Tiere.

Zerstörerische Mechanismen

Weitere Experimente zeigten, welche Mechanismen diesen Nebenwirkungen zugrunde liegen. Demnach führt das Antibiotikum offenbar dazu, dass die elastischen Fasern der extrazellulären Matrix geschädigt werden. Zudem war unter anderem die Aktivität des Enzyms Lysyloxidase heruntergefahren, das für die Stabilität dieser Bindegewebsstruktur verantwortlich ist.

Daneben stellten die Wissenschaftler fest, dass vermehrt zelluläre Prozesse stattfanden, die zum Zelltod führen. Zum Beispiel waren sogenannte Matrixmetalloproteinasen übermäßig aktiv – Stoffe, die Bindegewebe abbauen. Diese Effekte des Ciprofloxacins bestätigten sich anschließend auch bei Untersuchungen an menschlichen Aortenzellen.

Vorsicht geboten

„Unsere Studie untermauert die Bedenken im Zusammenhang mit Ciprofloxacin und legt nahe, dass dieses Antibiotikum oder Mittel aus derselben Klasse vor allem bei Patienten mit Vorerkrankungen wie einer Aortendilatation nur mit äußerster Vorsicht eingesetzt werden sollten“, konstatiert LeMaire. Entsprechende Empfehlungen sollten schnellstmöglich veröffentlicht werden.

Aufgrund des starken Nebenwirkungspotenzials von Ciprofloxacin warnen inzwischen auch Institutionen wie die US-Arzneimittelbehörde FDA vor einem unbedachten Einsatz des Medikaments. In den USA darf das Mittel nur noch bei Patienten mit sehr schweren Infektionen eingesetzt werden – oder wenn es zum Beispiel aufgrund von Resistenzen keine Alternativen gibt.

Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA wird derzeit ebenfalls an einer Neubewertung der Fluorchinolone gearbeitet. Ein grundsätzliches Verbot ist allerdings wohl nicht zu erwarten. Denn nach Einschätzung von Experten sind Ciprofloxacin und Co bei bestimmten Erkrankungen noch immer unentbehrliche Medikamente. (JAMA Surgery, 2018; doi: 10.1001/jamasurg.2018.1804)

(Baylor College of Medicine, 27.07.2018 – DAL)

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