Genetik

Corona: Gene mitschuld an Riechstörung?

Genvariante erhöht Anfälligkeit für den Ausfall des Geruchssinns bei Covid-19

Coronaviren Nase
Wie die Riechstörungen bei Covid-19 zustande kommen, ist noch unklar. Offenbar spielen dabei aber auch genetische Faktoren eine Rolle. © Dr_Microbe/ Getty images

Ob ein Mensch bei einer Coronavirus-Infektion eine Riechstörung entwickelt oder nicht, hängt offenbar auch von den Genen ab, wie nun eine Vergleichsstudie mit knapp 70.000 Teilnehmern nahelegt. Demnach können Varianten in der Nähe von zwei bestimmten Genen das Risiko für einen Ausfall des Geruchssinns erhöhen. Beide Gene enthalten Bauanleitungen für Enzyme, die eng mit dem Riechprozess verknüpft sind, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Genetics“ berichten.

Der vorübergehende Ausfall des Geruchs- und Geschmackssinns galt schon früh in der Corona-Pandemie als typisches Anzeichen für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Betroffene riechen plötzlich nichts mehr oder nehmen Alltagsgerüche völlig verändert wahr. Dazu passt, dass die Nasenschleimhaut bei einer Infektion zu den ersten Geweben gehört, die vom Virus befallen werden. Jüngste Studien legen allerdings nahe, dass SARS-CoV-2 dabei nicht die Riechzellen selbst infiziert und schädigt, sondern die angrenzenden Stütz- und Cilienzellen.

Wie und warum bei Covid-19 dennoch so häufig Riechstörungen auftreten, ist daher bislang ungeklärt. Ebenso offen ist, warum diese Beeinträchtigungen des Geruchs- und Geschmacksinns nicht bei allen Corona-Infizierten vorkommen.

Fahndung nach genetischen Risikofaktoren

Auf der Suche nach einer Antwort haben Janie Shelton und ihre Kollegen vom US-Genanalyse-Unternehmen 23andMe nun eine genomweite Vergleichsstudie (GWAS) bei 69.841 Menschen durchgeführt. Alle Teilnehmenden stammten aus den USA oder Großbritannien und hatten bereits eine Infektion mit dem Coronavirus durchgemacht. „Von diesen berichteten 68 Prozent, dass sie während ihrer Infektion unter Geruchs- und Geschmacksdefiziten gelitten hatten“, so das Team.

Um herauszufinden, ob es genetische Risikofaktoren für dieses Covid-19-Symptom gibt, verglichen die Wissenschaftler Genvarianten im gesamten Erbgut aller Teilnehmenden. Dabei suchten sie mithilfe spezieller Algorithmen nach Genorten, die bei den vom Riechverlust Betroffenen signifikant häufiger verändert waren als Menschen ohne dieses Symptom.

Signifikante Veränderungen an einem Genort

Das Ergebnis: Ein Genort war bei den Teilnehmenden mit coronabedingten Riechstörungen signifikant häufiger verändert. Dieser rund 44.600 Basenpaare lange DNA-Abschnitt umfasste rund 28 verschiedene Varianten, wie die Wissenschaftler berichten. Aus ihren Daten schließen sie, dass diese Varianten das Risiko für einen Verlust des Geruchssinns um rund elf Prozent erhöhen.

„Die genetische Assoziation ist zwar in der europäischen Population am deutlichsten, die Effektgrößen sind aber populationsübergreifend konsistent“, berichten Shelton und ihre Kollegen. Dies passt dazu, dass Menschen europäischer Abstammung der Studie zufolge häufiger vom Riechverlust bei Covid-19 betroffen sind als Menschen mit asiatischen oder afrikanischen Vorfahren.

„Duftreinigungs“-Enzyme betroffen

Nähere Analysen ergaben, dass die identifizierten Genvarianten in der Nähe der beiden Gene UGT2A1 und UGT2A2 liegen. „Diese beiden Gene sind nicht nur die am nächsten liegenden, sondern auch biologisch plausible Kandidaten“, so das Team. Denn diese Gene werden vor allem in den Schleimhautzellen der Nase aktiv und enthalten die Bauanleitung für Enzyme, die für die Geruchswahrnehmung eine wichtige Rolle spielen.

Konkret sind diese Enzyme dafür zuständig, an bereits detektierte Geruchsstoffe zu binden und sie so zu neutralisieren. Dadurch werden diese Geruchsstoffe sozusagen unsichtbar für die Riechrezeptoren und diese können sich darauf einstellen, neue, weitere Düfte wahrzunehmen. Wichtig ist dies, damit Duftreize nicht in der Nase hängen bleiben und die weitere Wahrnehmung von Gerüchen blockieren. Die Enzyme sorgen dafür, dass der Geruchseindruck verfliegt, sobald auch der auslösende Geruch nicht mehr in der Umwelt vorhanden ist.

Erster Hinweis auf biologischen Mechanismus

Doch wie greift die Coronavirus-Infektion in diesen Prozess ein? Und welche Rolle spielen dafür die jetzt neu identifizierten Genvarianten? Bisher ist die Antwort auf diese Frage noch offen. „Angesichts ihrer Position und essenziellen Funktion könnte diese Gene aber eine Rolle in der Physiologie der infizierten Zellen spielen und letztlich in den funktionellen Beeinträchtigungen resultieren, die zum Verlust der Geruchswahrnehmung beitragen“, konstatieren Shelton und ihre Kollegen.

Nach Ansicht der Forschenden liefern die Funde damit eine erste Spur zu den biologischen Mechanismen hinter den Geruchs- und Geschmacksstörungen bei Covid-19. (Nature Genetics, 2022; doi: 10.1038/s41588-021-00986-w)

Quelle: Nature Genetics

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