Virale Manipulation: Noch immer rätseln Mediziner über die unbemerkte Luftnot einiger Covid-19-Patienten. Jetzt gibt es eine neue Spur: Möglicherweise befällt das Coronavirus die Sensoren, die das Gasgemisch im Blut messen. Denn diese unter anderem in der Halsschlagader sitzenden Zellen tragen bei einigen Menschen viele ACE2-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche – die Andockstellen, über die SARS-CoV-2 in unsere Zellen eindringt.
Einige Patienten mit Covid-19 leiden unter einem lebensbedrohlichen Sauerstoffmangel – bemerken es aber nicht. Obwohl sie nach Luft ringen und ohnmächtig werden müssten, bleiben die normalerweise vom Atemzentrum eingeleiteten Alarmreaktionen bei dieser „stillen Hypoxämie“ aus. Über den Grund dafür können Mediziner bislang nur spekulieren. Einige vermuten einen viralen Angriff auf das Atemzentrum, andere sehen eher eine anomale Lungenfunktion als Ursache.
Welche Rolle spielen die arteriellen O2-Sensoren?
Jetzt gibt es eine weitere Hypothese. Demnach greift das Coronavirus SARS-CoV-2 möglicherweise die Sensoren an, mit denen unser Körper den Gasgehalt des arteriellen Blutes kontrolliert. Diese unter anderem in der Halsschlagader sitzenden Chemorezeptoren geben dem Atemzentrum bei Sauerstoffmangel das Alarmsignal, das das reflexhafte Nach-Luft-Schnappen auslöst – die Reaktion, die bei der stillen Hypoxämie ausbleibt.
„Die Hemmung dieser Glomus-caroticum-Sensoren könnte eine plausible Erklärung für die ausbleibende Atemreaktion sein, die die stille Hypoxämie der Covid-19-Patienten charakterisiert“, erklären Javier Villadiego von der Universität von Sevilla und seine Kollegen. Denn die Weiterleitung der Signale aus diesen Chemorezeptoren wird von einer Reihe von regulierenden Faktoren beeinflusst – und einer davon ist das Renin-Angiotensin-System, zu dem auch das ACE2-Enzym gehört. Dieses Protein gilt als eine der Haupt-Eintrittspforten für SARS-CoV-2 beim Befall unserer Zellen.