Entwarnung: Die zurzeit entwickelten Impfstoffe wirken auch gegen die mutierte G614-Form von SARS-CoV-2 – die inzwischen weltweit dominierende Coronavirus-Variante. Zwar hat die Mutation das Spike-Protein des Virus verändert, dieser Wandel liegt aber an einer ohnehin für Antikörper kaum zugänglichen Stelle, wie nun Forscher ermittelt haben. Die fast alle an die alte Virus-Form angepassten Impfstoffe bleiben daher höchstwahrscheinlich wirksam.
Im Laufe der Pandemie hat das Coronavirus SARS-CoV-2 sich langsam, aber stetig verändert. Durch Kopierfehler und Defekte sind tausende kleiner Mutationen in seinem RNA-Code entstanden. Die meisten davon bleiben allerdings für Virus wie für Infizierte folgenlos. Bei der G614-Mutation ist das jedoch anders: Sie verursacht einen Aminosäurewechsel im Spike-Protein des Virus und hat sich rasant ausgebreitet. Inzwischen tragen rund 80 Prozent aller in der Menschheit kursierenden Coronaviren diese Mutation.
Ist die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe gefährdet?
Das Problem dabei: Nahezu alle zurzeit getesteten Impfstoff-Kandidaten gegen Covid-19 sind noch auf die im Frühjahr dominante alte Virenversion hin entwickelt worden. Ihre „Schablone“ ist die nicht mutierte Bauanleitung für das Spike-Protein. „Das hat zu Spekulationen darüber geführt, ob nun die Effizienz dieser Vakzine und Gegenmittel beeinträchtigt ist“, erklären Alexander McAuley vom Australian Centre for Disease Preparedness und sein Team.
Impfstoffe sollen das Immunsystem dazu anregen, passgenaue Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu produzieren. Als besonders effektiv gelten dabei die Antikörper, die am Spike-Protein ansetzen und das Virus so am Eintritt in die menschlichen Zellen hindern. Wenn nun das Spike-Protein durch eine Mutation verändert ist, könnte dies die Passform der Immunglobuline zunichte machen und ihre Anlagerung verhindern – so die Befürchtung.
Neutralisation funktioniert auch mit der neuen Mutante
Ob diese Gefahr besteht, haben McAuley nun mit Experimenten und im Modell überprüft. Dafür impften sie zunächst Frettchen mit dem Impfstoff-Kandidaten INO-4800, einer DNA-basierten Vakzine. Die Tiere entwickelten daraufhin Antikörper gegen die durch die Impfung erzeugten viralen Spike-Proteine. Nun entnahmen die Forscher den Frettchen Antikörper-haltiges Blut und brachten es mit drei verschiedenen Virenproben zusammen – zwei mit dem alten D614-Stamm und einer mit der mutierten G614-Variante.
Das Ergebnis: Die Antikörper der Frettchen konnten die Coronaviren erfolgreich neutralisieren – unabhängig von der Virenvariante. „Die Neutralisationstiter für die G614-Variante unterschieden sich nicht signifikant von denen für die Isolate mit den D614-Varianten“, berichten die Forscher. Dies sie wichtig für die kurzfristige Wirksamkeit der Impfstoffe. Ob auch die von der Vaazine stimulierte T-Zell-Antwort des Immunsystems auf beide Virenvarianten gleich abläuft, wollen sie als nächstes testen.
Spike-Protein: Mutation liegt versteckt
Untermauert wird dieses hoffnungsvolle Resultat durch eine ergänzende Modellierung der Molekülstruktur. In dieser untersuchten McAuley und sein Team, wo die mutierte Stelle im Spike-Protein liegt und ob und wie sie die dreidimensionale Struktur des Proteins verändert. „Auch dadurch können wir mögliche Einflüsse auf die Vakzin-Effizienz überprüfen“, so die Forscher.
Es zeigte sich: Die von der G614-Mutation betroffene Stelle liegt in einer tiefen Furche des Spike-Proteins und wird zusätzlich durch eine Zuckeranlagerung halb verdeckt. „Angesichts dieser inneren Lage ist es unwahrscheinlich, dass diese Stelle Teil der Epitope von neutralisierenden Antikörpern ist“, sagen die Wissenschaftler. „Es ist daher nicht zu erwarten, dass dies die Antikörper-Reaktion nach einer Impfung mit D614-basierten Vakzinen schwächt.“
„Gute Nachrichten für die Impfstoff-Entwicklung“
Nach Ansicht der Forscher besteht daher kein Grund zur Sorge – zumindest in Bezug auf diese Mutation. Denn ihre Experimente und Modellierungen sprechen dafür, dass die Corona-Impfstoffe trotz der G614-Mutation weiterhin wirksam sein werden. „Das sind gute Nachrichten für die hunderte Impfstoffe, die zurzeit in der Entwicklung sind“, konstatiert McAuleys Kollege Seshadri Vasan. „Denn die Mehrheit dieser Vakzinen zielt auf das Spike-Protein.“ (npj vaccines, 2020; doi: 10.1038/s41541-020-00246-8)
Quelle: CSIRO, University of York