Medizin

Corona: Ist B.1.1.7. doch tödlicher?

Britische Forscher sehen Hinweise auf erhöhte Fallsterblichkeit bei neuer Virusvariante

SARS-CoV-2
Die neue Coronavirus-Variante B.1.1.7. trägt 17 Veränderungen an ihrer RNA. Dies macht sie infektiöser, aber möglicherweise doch auch gefährlicher. © vchal/ iStock.com

Schlechte Nachrichten: Bisher galt die in Großbritannien entstandene Coronavirus-Variante B.1.1.7. als infektiöser, nicht aber aggressiver. Doch nun legt ein britisches Expertengremium Daten vor, nach denen die Mutante doch eine höhere Fallsterblichkeit verursachen soll. Stimmen ihre Zahlen, dann könnten an dieser neuen Variante von SARS-CoV-2 statt zehn Menschen von 1.000 nun zwölf bis 13 sterben. Allerdings: Noch gibt es einige Ungereimtheiten in den Daten.

Mit der weltweit steigenden Anzahl von infizierten bekommt das Coronavirus SARS-CoV-2 immer mehr Chancen, mutierte Stämme zu entwickeln. Unter ihnen ist die Variante B.1.1.7., eine im Herbst 2020 in Südengland erstmals aufgetretene Virusform mit insgesamt 17 genetischen Veränderungen gegenüber dem Grundtyp von SARS-CoV-2. Bislang galt diese Variante vor allem als deutlich infektiöser, nicht aber als pathogener oder tödlicher.

Doch nun gibt es erste Hinweise darauf, dass die Virusvariante B.1.1.7. doch die Sterblichkeit erhöht und schwerere Krankheitsverläufe fördern könnte. Zu diesem Schluss kommt das britische Expertenkomitee NERVTAG (New and Emerging Respiratory Virus Threats Advisory Group) nach Auswertung von mehreren britischen Studien. In diesen hatten verschiedene Forscherteams die Fallsterblichkeit – den Anteil der Todesfälle unter den Infizierten – für das „normale“ und das mutierte Virus verglichen.

13 statt zehn Todesfälle pro 1.000 Infizierten

Das Ergebnis: „Basierend auf diesen Analysen gibt es eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass eine Infektion mit der Variante B.1.1.7. mit einem erhöhten Sterberisiko verglichen mit dem nichtmutierten Coronavirus verknüpft ist“, heißt es im NERVTAG-Bericht. Warum das so ist, bleibt jedoch unklar. Denn anders als die in Brasilien und Südafrika verbreiteten Virusmutanten scheint B.1.1.7. die Antikörper-Reaktion des Immunsystems nicht zu behindern.

Konkret beziffern die Wissenschaftler die Zunahme der Sterblichkeit auf rund 30 Prozent. Das würde bedeuten, dass eine Coronavirus-Infektion beispielsweise bei den rund 60-jährigen Männern normalerweise in zehn von 1.000 Fällen tödlich endet. An der Variante B.1.1.7. würden dagegen 13 von 1.000 Infizierten sterben. Dieser relative Anstieg der Fallsterblichkeit sei in allen Altersgruppen zu beobachten, so die NERVTAG-Experten.

Es gibt Ungereimtheiten

Allerdings gibt es auch einige Ungereimtheiten in diesen vorläufigen Auswertungen. Zum einen variieren die Ergebnisse der einzelnen Studien zwischen gar keinem erhöhten Risiko und einer mehr als 65 Prozent höheren Fallsterblichkeit. Außerdem scheint sich die Sterblichkeit der bereits ins Krankenhaus eingewiesenen Covid-19-Patienten seltsamerweise nicht verändert zu haben.

Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass mehr mit B.1.1.7. infizierte Menschen einen schweren Verlauf erleiden und ins Krankenhaus eingewiesen werden. David Strain von der University of Exeter erklärt das so: „Gehen wir mal davon aus, dass die Sterblichkeit unter den Krankenhauspatienten bei zehn Prozent für beide Varianten liegt. Um die insgesamt erhöhte Sterblichkeit zu erklären, müssten dann 130 Menschen mit B.1.1.7., aber nur 100 Menschen mit dem ursprünglichen Stamm eingewiesen worden sein.“

„Wir brauchen noch viel mehr Daten“

Allerdings: Für eine solche vermehrte Einweisung von Covid-Patienten mit B.1.1.7. gibt es bislang keine Hinweise: „Wenn es einen Anstieg in der schwere der Infektion mit B.1.1.7. gibt, würden wir auch eine Zunahme der im Krankenhaus behandelten Fälle erwarten“, heißt es im NERVTAG-Bericht. „Aber zurzeit haben wir keine Belege dafür, dass Menschen mit B.1.1.7 ein erhöhtes Risiko für einen Klinikaufenthalt haben.“

Hinzu kommt, dass die höchsten Unterschiede in der Fallsterblichkeit in den Regionen auftraten, in denen die neue Variante B.1.1.7. noch nicht stark verbreitet war. „In diesem Fall können schon ein oder zwei Todesfälle in Prozenten ausgedrückt einen unverhältnismäßig großen Einfluss haben“, erklärt Strain. „Wir benötigen daher noch weit mehr Daten, bevor wir weitergehenden Schlüsse ziehen.“

Ähnlich sieht es auch der Virologe Julian Tang von der University of Leicester: „Die Daten und die Interpretation des NERVTAAG-Dokuments basieren noch auf relativ geringen Patientenzahlen mit der neuen Variante, daher könnten sich im Laufe der Zeit noch große Veränderungen ergeben.“

Impfung wirkt aber weiterhin

Einig sind sich alle Experten darin, dass die Ausbreitung dieser neuen Mutante von SARS-CoV-2 unbedingt gebremst werden muss – unabhängig von den tatsächlichen Effekten auf die Sterblichkeit. Denn klar scheint, dass diese B.1.1.7. in jedem Fall infektiöser ist und schon dadurch mehr Menschen an Covid-19 erkranken könnten. „Die Botschaft für die öffentliche Gesundheit ist noch immer dieselbe: Wir müssen weiterhin unsere sozialen Kontakte reduzieren und zu Hause bleiben, um die Virusausbreitung zu verringern“, so Tang.

Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Die aktuellen Corona-Impfstoffe bleiben auch gegen die Virusvariante B.1.1.7. wirksam. Das legen Antikörpertests mit entsprechend veränderten Viren nahe. „Diese Studien geben uns Zuversicht, dass die Impfung auch gegen die britischen Varianten von SARS-CoV-2 wirken wird“, sagt Lawrence Young von der Warwick Medical School. In dieser Hinsicht seien die in Brasilien und Südafrika aufgetretenen Virusvarianten beunruhigender. Diese neuen Virusstämme tragen Mutationen am Spike-Protein, durch die Antikörper nicht mehr so effektiv gegen das Coronavirus wirken.

Quelle: NERVTAG, Science Media Centre UK

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