Deutlich unterschätzt: Es mehren sich die Hinweise darauf, dass die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten, aber auch der Geimpften deutlich unterschätzt werden. So zeigt eine Studie des Robert-Koch-Instituts, dass schon Ende 2021 eineinhalb bis zweimal mehr Menschen infiziert waren als in offiziellen Zahlen erfasst. In den letzten Wochen hat sich die Zahl der Krankschreibungen zudem gegenüber Ende Mai fast verdoppelt – das bestätigt die wachsende Kluft zwischen gemeldeten und tatsächlichen infektionszahlen.
Schon seit Beginn der Corona-Pandemie ist klar, dass die Dunkelziffer bei den mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen hoch ist. Denn gerade jüngere Menschen erkranken häufig fast symptomlos und mit der Impfung hat sich auch insgesamt die Zahl schwerer Verläufe von Covid-19 drastisch verringert. Während der aktuellen Infektionswelle mit der Omikron-Variante BA.5 lassen zudem immer weniger Menschen bei Verdacht auf Covid-19 einen PCR-Text vornehmen – und tauchen daher in der offiziellen Statistik nicht mehr auf.
Bundesweite Antikörperstudie
Mehr Aufschluss über die wahre Zahl der Infizierten, aber auch der Geimpften können Antikörpertests geben. Denn bei Infektion oder Impfung bildet unser Immunsystem Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die auch Monate später noch nachweisbar sind. Bereits 2020 hatte das Robert-Koch-Institut eine erste bundesweite Antikörperstudie durchgeführt, von November 2021 bis Februar 2022 folgte eine zweite. Bei dieser wurden Blutproben von 11.162 Personen ab 14 Jahren untersucht und die Teilnehmenden befragt.
Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Demnach waren schon zum Jahreswechsel 2021/2022 – auf dem Höhepunkt der Delta-Welle – 92 Prozent der Erwachsenen in Deutschland seropositiv. Sie waren demnach geimpft oder hatten eine Corona-Infektion durchgemacht. Näheren Analysen zufolge schätzen die RKI-Wissenschaftler, dass zu diesem Zeitpunkt etwa 90 Prozent mindestens einmal geimpft waren und einen weiteren Antigenkontakt durch Impfung oder Infektion hatten.
Zehn Prozent hatten es schon – mindestens
Aus den Daten geht auch hervor, dass bis Ende 2021 rund zehn Prozent der Bevölkerung schon mindestens eine Corona-Infektion hinter sich hatten – gemessen an der Dauer der Pandemie und den Zahlen in anderen Ländern sei dies eher wenig, so das RKI. Allerdings zeigen die Zahlen auch, dass die offiziellen Meldedaten zur Inzidenz schon damals während der Deltawelle deutlich niedriger lagen als die in der Studie ermittelten Fallzahlen. Diese lagen 1,5 bis zweimal höher als die Meldezahlen.
Der wahre Anteil von infizierten und Genesenen könnte sogar noch deutlich höher liegen, weil die Teilnehmenden solcher Studien erfahrungsgemäß eher zu den Impfwilligen und Vorsichtigen gehören. „Es muss daher davon ausgegangen werden, dass in dieser Studie der Anteil Geimpfter in der Bevölkerung überschätzt und der Anteil der Infizierten unterschätzt wird“, erklärt das RKI.
Aktuelle Sommerwelle mit hoher Dunkelziffer
Aktuell könnten offizielle Zahlen und tatsächlich Fälle noch weiter auseinanderklaffen als zum Zeitpunkt der RKI-Studie. Ein Indiz dafür ist die zurzeit deutliche Zunahme von Covid-19-Fällen auf den deutschen Intensivstationen. Mit 1.363 Corona-Patienten wird aktuell der höchste Stand seit Ende April gemeldet. Weil die meisten aktuell Infizierten geimpft sind und nicht schwer erkranken, ist dies aber nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs.
Epidemiologen gehen davon aus, dass sich Menschen mit Erkältungssymptomen inzwischen oft nicht mehr testen. Andere machen zwar einen Selbsttest, aber lassen keinen PCR-Test durchführen – und werden daher ebenfalls nicht offiziell erfasst. Dazu passen auch aktuelle Angaben von Krankenkassen, die einen deutlichen Anstieg von Krankmeldungen wegen Covid-19 oder Erkältungen registrieren. So verzeichnete die Barmer zurzeit eine Verdopplung solcher Krankschreibungen gegenüber Ende Mai/Anfang Juni.
Quelle: Robert Koch-Institut, tagesschau.de