Merkwürdiges Phänomen: Einige Patienten mit Covid-19 leiden unter schwerem Sauerstoffmangel ohne es zu merken. Selbst lebensbedrohliche Werte lösen bei ihnen keine Atemnot aus. Was dahinter steckt und ob das Coronavirus möglicherweise direkt die Atemregulation stört, wird zurzeit unter Medizinern diskutiert. Ein Forscherteam präsentiert nun erste Erklärungsansätze zu diesem „stille Hypoxämie“ getauften Phänomen.
Zu den Hauptsymptomen für einen schweren Verlauf von Covid-19 gehören Atemnot und eine gesunkene Sauerstoffsättigung im Blut: Weil die Lunge vom Coronavirus SARS-CoV-2 angegriffen ist, gelangt nicht mehr genügend Sauerstoff in Blut und Organe. Auch Blutgerinnsel in den Lungenadern können den Gasaustausch hemmen. Gleichzeitig wird nicht genügend Kohlendioxid abgegeben und der CO2-Gehalt steigt an.
Normalerweise sorgt dies für eine prompte Reaktion: Sensoren in den Halsschlagadern senden ein Alarmsignal an das Atemzentrum im Hirnstamm, sobald der Partialdruck des Sauerstoffs unter 60 Millimeter Quecksilber (mmHg) sinkt und der CO2-Gehalt 39 mmHg übersteigt. Das Atemzentrum sendet dann Befehle an die Nerven des Brustraums, die zur Intensivierung der Atmung führen – wir atmen unwillkürlich tiefer und schneller. Eine Rückmeldung an das Großhirn erzeugt parallel das Gefühl der Atemnot.
Sauerstoffmangel ohne Atemnot
Doch es gibt Patienten mit Covid-19, bei denen dieses Alarmsystem komplett ausgefallen scheint. Ihre Sauerstoffsättigung ist so niedrig, dass sie eigentlich ohnmächtig sein müssten, dennoch merken sie nichts davon und können sogar noch problemlos laufen, sprechen und telefonieren. „Für Mediziner ist diese stille Hypoxämie extrem verwirrend, weil sie der grundlegenden Biologie zu widersprechen scheint“, erklären Martin Tobin von der Loyola University of Chicago und seine Kollegen.