Unterschätzte Spätfolgen: Das sogenannte „Long-Covid“ könnte häufiger vorkommen als bislang angenommen, wie nun eine Studie mit mehr als 1.700 Covid-19-Patienten enthüllt. Demnach litten 76 Prozent von ihnen noch sechs Monate später an mindestens einem Symptom. Am häufigsten waren chronische Erschöpfung und Muskelschwäche, aber auch Nierenprobleme, Schlafstörungen oder Lungenschwäche kamen vor, wie die Forscher im Fachmagazin „The Lancet“ berichten.
Im Verlauf der Corona-Pandemie zeigt sich, dass Coronavirus SARS-CoV-2 unsere Gesundheit nicht nur während der akuten Infektion angreift. Auch nach überstandener Covid-19-Erkrankung bleiben bei vielen Patienten Schäden zurück – beispielsweise in der Lunge. Darüber hinaus kann das Virus auch bei milden Verläufen und erst Wochen nach der Infektion Spätfolgen hervorrufen. Dazu gehören Herzentzündungen, neurologische Ausfälle und Muskelschwäche, aber auch vereinzelte Fälle von Parkinson oder Diabetes Typ-1.
Spätfolgen bei drei Viertel der Patienten
Wie häufig Spätfolgen nach Covid-19 auftreten und welche, haben nun Chaolin Huang vom Jin Yin-tan Hospital in Wuhan in der bislang umfangreichsten und längsten Studie dazu ermittelt. Dafür untersuchten und befragten sie 1.733 Patienten über bis zu sechs Monate hinweg nach ihrem Gesundheitszustand. Alle Patienten waren im Krankenhaus behandelt worden, nur vier Prozent von ihnen lagen aber auf der Intensivstation. Das Durchschnittsalter lag bei 57 Jahren.
Das Ergebnis: „76 Prozent der Patienten litten noch sechs Monate nach Beginn ihrer Erkrankung unter mindestens einem Symptom“, berichten die Forscher. Am häufigsten waren chronische Erschöpfung und Muskelschwäche, die bei 63 Prozent der Patienten auftraten. 26 Prozent litten unter anhaltenden Schlafstörungen und 23 klagten über Angststörungen oder Depressionen. Bei 13 Prozent der Patienten entwickelten sich Nierenprobleme, obwohl ihre Nierenfunktion während des Krankenhausaufenthalts noch normal war.
Diese Spätfolgen traten auch bei den Studienteilnehmern auf, die in der akuten Phase nicht so schwer krank waren, dass sie beatmet oder intensivmedizinisch behandelt werden mussten.
Lungenprobleme und Muskelschwäche
Eine weitere Gruppe von Spätfolgen trat umso häufiger auf, je schwerer die akute Covid-19-Erkrankung verlaufen war. Unter den Patienten, die beatmet werden mussten, litten 56 Prozent noch Monaten später unter einer verringerten Lungenfunktion. Bei denjenigen, die in der Akutphase nur zusätzlichen Sauerstoff erhalten hatten, waren es 29 Prozent, wie Huang und seine Kollegen berichten. Aber auch unter den nicht beatmeten Patienten gab es 22 Prozent mit anhaltenden Lungenproblemen.
Das Ausmaß der Muskelschwäche zeigte ebenfalls einen leichten Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung: 29 Prozent der beatmeten Patienten schaffte es auch Monate später nicht, in einem Gehtest die normale Leistung zu erreichen. Innerhalb der sechsminütigen Testzeit lag ihre Gehstrecke deutlich unter der Norm, wie die Forscher feststellten. Bei den Patienten mit weniger schwerem Verlauf war dies bei 22 bis 24 Prozent der Fall.
Bessere Nachsorge und mehr Studien nötig
„Weil Covid-19 eine so neue Krankheit ist, beginnen wir erst zu verstehen, welche Langzeitfolgen dies für die Gesundheit der Patienten haben kann“, sagt Koautor Bin Cao von der Medizinischen Universität Peking. „Unsere Analyse zeigt, dass die meisten Patienten auch nach ihrer Entlassung aus der Klinik unter einigen Symptomen leiden.“ Das unterstreiche die Notwendigkeit einer Nachsorge und Rehabilitation auch nach der akuten Covid-19-Erkrankung.
Gleichzeitig betonen die Wissenschaftler, dass weitere Langzeitstudien zum Long Covid und den Spätfolgen von Covid-19 auch in anderen Populationen gebraucht werden. „Nur so können wir das volle Spektrum der Effekte verstehen, die Covid-19 auf Menschen haben kann“, sagt Cao. (The Lancet, 2021; doi: 10.1016/ S0140-6736(20)32656-8)
Quelle: The Lancet