Medizin

Corona: Verzögerter Angriff aufs Herz

Herzmuskelentzündung kann noch Wochen nach der Infektion auftreten – auch bei Jüngeren

Herz
Das Coronavirus kann auch das Herz angreifen - und sich dort erst Wochen nach der Infektion bemerkbar machen. © yodiyim/ iStock.com

Verzögerte Schadwirkung: Eine Coronavirus-Infektion kann noch Wochen später das Herz angreifen – auch bei jungen Menschen. Belege dafür liefern nun mehrere Fälle von Patienten mit einer akuten Herzmuskelentzündung, bei denen SARS-CoV-2 im Herzmuskel nachgewiesen wurde. Die Covid-19-Erkrankung dieser Patienten lag jedoch schon vier Wochen zurück und war wegen eines milden Verlaufs unbemerkt geblieben.

Schon länger ist bekannt, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht nur Atemwege und Lunge befällt, sondern auch andere Organe angreift, darunter den Darm, die Nieren, die Blutgefäße, das Nervensystem und auch das Herz. Bereits im Frühjahr 2020 hatten Mediziner in Wuhan und in Italien zudem über Fälle von akuten Herzschäden und Herzmuskelentzündungen bei Covid-19-Patienten berichtet. Diese traten teilweise auch dann auf, wenn die Betroffenen kaum andere Symptome zeigten.

Herzmuskelentzündung ohne akute Covid-Symptome

Jetzt belegen erste Fallberichte, dass die virusbedingte Myocarditis offenbar auch mit erheblicher Verzögerung auftreten kann – Wochen nach überstandener Infektion. Zwei dieser Fälle haben Forscher um Philip Wenzel von der Universitätsmedizin Mainz näher untersucht. Es handelt sich um zwei Männer im jüngeren Alter, die mit Verdacht auf eine akute Herzmuskelentzündung eingeliefert wurden.

„Die Patienten waren unter 40 Jahre alt, körperlich aktiv, im Nasen-Rachenabstrich negativ für SARS-CoV-2 und hatten etwa vier Wochen vor der Aufnahme bei uns einen schweren grippeähnlichen Infekt gehabt“, berichtet Wenzel. Dies legte nahe, dass die beiden Männer damals unerkannt eine Covid-19-Erkrankung durchlebt hatten. Zum Zeitpunkt der Einlieferung war das Coronavirus über die üblichen Abstrichtests aber nicht mehr nachweisbar.

Nähere Untersuchungen und eine Biopsie des Herzmuskels bestätigten, dass beide Männer an einer Herzmuskelentzündung litten. In ihrem Herzgewebe waren zahlreiche Abwehrzellen sowie Entzündungszeichen nachweisbar.

SARS-CoV-2 im Herzmuskel

Das Überraschende jedoch: PCR-Tests der Gewebeproben enthüllten, dass im Herzmuskel dieser Patienten SARS-CoV-2 noch präsent war. „Das besondere bei unseren Fällen war, dass das Virus durch Myokardbiopsie im Herzmuskel auffindbar ist, auch wenn die eigentliche Covid-19-Erkrankung bereits durchgemacht wurde oder einen harmlosen Verlauf hatte“, erklärt Wenzel. „Erst nach einer klinisch unauffälligen Latenzzeit kamen die Patienten mit dem klinischen Verdacht einer Herzmuskelentzündung zu uns.“

Dies ist der erste Nachweis, dass das Coronavirus auch nach überstandener Covid-19-Erkrankung noch im Herzen präsent sein kann und dort möglicherweise Schäden und Entzündungen verursacht. „Ob es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Herzmuskelentzündung und der SARS-CoV-2-Präsenz im Herzmuskel gibt, etwa durch anhaltende Vermehrung im Gewebe, ist noch nicht bekannt“, sagt Wenzel. Ähnliche Fälle von nachfolgender Myocarditis kenne man aber auch von einigen anderen viralen Erkrankungen.

Spätfolgen treffen auch jüngere Menschen

Gleichzeitig bestätigen diese Fallberichte, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 verschiedenste Spätfolgen nach sich ziehen kann, deren Ausmaß bislang noch kaum erfasst ist. So gibt es vermehrt Berichte über verzögert einsetzende neuronale Ausfallerscheinungen, Hautausschläge und andere Komplikationen nach bereits überstandener Infektion.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen aber auch, dass selbst für junge und körperlich aktive Menschen ein Risiko besteht, solche Herzerkrankungen zu entwickeln“, betonen Wenzel und seine Kollegen. Beide Patienten waren unter 40 Jahre alt und einer von beiden war aktiver Fußballer und Radfahrer. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die kardiovaskulären Beteiligungen von Covid-19 enorm wichtig sein können und aufmerksam behandelt und nachgesorgt werden müssen“, sagt Wenzels Kollege Thomas Münzel. (Cardiovascular Research, 2020; doi: 10.1093/cvr/cvaa160)

Quelle: Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.

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