Medizin

Corona: Warum bei Covid-19 das Blut verklumpt

Fehlgeleitete Antikörper lassen die Blutgerinnung von Corona-Patienten entgleisen

Blutgerinnsel
Eine vermehrte Blutverklumpung und Thromboseneigung ist für Covid-19 typisch. Aber was steckt dahinter? © iLexx/ iStock.com

Überraschender Befund: Forscher haben herausgefunden, warum das Blut bei vielen Covid-19-Patienten so stark verklumpt. Ursache ist demnach nicht das Coronavirus selbst, sondern eine Autoimmunreaktion der körpereigenen Abwehr. Dabei kommt es zu einer massiven Ausschüttung spezieller Antikörper, die weiße Blutkörperchen angreifen und zur Verklumpung des Blutes führen. Diese Erkenntnis könnte neue Therapiechancen bei Covid-19 eröffnen.

Das Coronavirus greift nahezu den gesamten Körper an, so viel scheint inzwischen klar. Eine der besonders betroffenen Komponenten sind die Blutgefäße und das Blut. Schon seit Begin der Corona-Pandemie beobachten Mediziner, dass auffallend viele Covid-19-Patienten an einer übersteigerten Blutgerinnung leiden. Thrombosen, Lungenembolien und auch Schlaganfälle sind die häufige Folge.

„In Patienten mit Covid-19 sehen wir einen erbarmungslosen, sich selbst verstärkenden Teufelskreis von Entzündungen und Verklumpungen des Bluts im gesamten Körper“, erklärt Yogendra Kanthi von der University of Michigan.

Ähnlichkeit mit einer Autoimmun-Erkrankung

Doch bisher blieb weitgehend unklar, was diese übersteigerte Koagulation auslöst – das Virus selbst, infektionsbedingte Entzündungen der Gefäße oder auch eine Immunreaktion? „Die meisten Patienten haben normale Konzentrationen von Blutgerinnungsfaktoren, Fibrinogen und Blutplättchen, was darauf hindeutet, dass Covid-19 einen einzigartigen prothrombotischen Zustand verursacht“, sagen Kanti, sein Kollege Yu Zuo und ihr Team.

Interessant jedoch: In mancher Hinsicht ähnelt die übersteigerte Thromboseneigung der Covid-19-Patienten einer Autoimmun-Erkrankung, die ebenfalls zu tödlichen Verklumpungen des Blutes führen kann, wie die Forscher erklären. Bei diesem sogenannten Antiphospholipid-Syndrom bildet der Körper irrtümlich Antikörper gegen einige Blutbestandteile, darunter Phospholipide und Phospholipid-bindende Proteine. Durch die Anlagerung der Antikörper an diese Moleküle kommt es zur Verklumpung des Blutes.

Typische Auto-Antikörper auch bei Covid-19-Patienten

Könnte etwas Ähnliches auch bei Covid-19 der Fall sein? Um das herauszufinden, analysierten die Wissenschaftler das Blut von 172 im Krankenhaus behandelten Covid-19-Patienten mit schwerem Verlauf. Sie suchten dabei gezielt nach acht Antikörpern, die für das Antiphospholipid-Syndrom typisch sind.

Das Ergebnis: „Gut die Hälfte der Covid-19-Patienten waren für mindestens einen dieser Auto-Antikörper positiv“, berichtet Seniorautor Jason Knight. Ein Viertel der Patienten wies zwei oder mehr dieser ApL-Antikörper auf. Dabei gab es klare Zusammenhänge mit dem klinischen Verlauf der Covid-19-Erkrankung: Je höher der Titer der Auto-Antikörper im Blut der Patienten war, desto schwerer waren Nieren, Lungen und Blut betroffen.

Schuldiger gefunden?

Ein so klarer Zusammenhang zwischen den Auto-Antikörpern und der Schwere des Covid-19-Verlaufs sei unerwartet gewesen, sagt Kanthi. „Das legt nahe, dass diese Auto-Antikörper der Schuldige in diesem Teufelskreis aus Blutverklumpung und Entzündungen sein könnte, der viele Covid-Patienten so krank macht.“ Offenbar fördert die Infektion mit SARS-CoV-2 direkt oder indirekt die Produktion dieser fehlgeleiteten Antiköper und lässt so die Blutgerinnung entgleisen.

Gestützt wird dies durch die Beobachtung, dass solche Patienten häufig von den Antikörpern überaktivierte weiße Blutkörperchen aufweisen, wie Kanthi und seine Kollegen erklären. Diese Abwehrzellen produzieren daraufhin extrazelluläre Fasern, sogenannte Neutrophil Extracellular Traps (NET), die eine Art Netz bilden. Normalerweise helfen sie bei der Bekämpfung von Bakterien, in diesem Fall aber verstärken sie die Blutverklumpung noch weiter.

Patienten-Antikörper bringen Mäuseblut zum Verklumpen

Um zu überprüfen, ob die Antikörper der Covid-Patienten tatsächlich die Ursache der übersteigerten Thromboseneigung sind, führten die Wissenschaftler einen ergänzenden Versuch mit Mäusen durch. Bei diesen hatten sie zuvor durch eine leichte Einengung der großen Hohlvene die Thrombosegefahr erhöht. Dann isolierten sie die ApL-Antikörper einiger Covid-19-Patienten und injizierten den Tieren den gereinigten, zellfreien Extrakt.

Es zeigte sich: „Die Antikörper der Patienten mit einer akuten Covid-19-Erkrankung erzeugten ein erstaunliches Ausmaß an Thrombosen bei den Tieren – einige litten unter der schwersten Blutverklumpung, die wie je gesehen haben“, sagt Kanthi. Gleichzeitig konnte er und sein Team auch bei den Mäusen die auffallende Überaktivierung der weißen Blutkörperchen und die extrazelluären Netze nachweisen. „Damit haben wir einen neuen Mechanismus identifiziert, der bei Covid-19-Patienten Blutverklumpungen auslöst“, so die Forscher.

Chancen für bessere Therapien

Die aktuellen Erkenntnisse eröffnen auch neue Chance für eine bessere Behandlung dieser entgleisten Blutgerinnung. Denn neben dem auch bei vielen Covid-19-Fällen verabreichten Gerinnungshemmer Heparin wird das Antiphospholipid-Syndrom auch mit dem Wirkstoff Dipyridamol behandelt. „Das ist ein altes Arzneimittel, das sicher, billig und breit verfügbar ist“, sagt Kanthi.

Erste Tests legen nun nahe, dass dieses Mittel auch bei Covid-19 helfen könnte. Deshalb hat das Forscherteam bereits eine klinische Studie mit Dipyridamol begonnen. Außerdem empfehlen sie, auch die Wirksamkeit einer sogenannten Plasmapherese zu überprüfen – einer Blutwäsche, bei der gezielt bestimmte Komponenten des Blutes herausgefiltert werden. (Science Translational Medicine, 2020; doi: 10.1126/science.abd3876)

Quelle: Michigan Medicine – University of Michigan

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