Medizin

Corona: Welche Rolle spielt die Blutgruppe?

Blutgruppe A könnte anfälliger für Covid-19 sein, Blutgruppe 0 dagegen weniger

Blutgruppen
Auch die Blutgruppe scheint das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 zu beeinflussen. © MajorKord/ iStock.com

Ungleiches Risiko: Bei der Corona-Pandemie spielt offenbar auch die Blutgruppe eine Rolle – sie bestimmt mit, ob ein schwerer Verlauf von Covid-19 droht oder nicht. Demnach sind Menschen mit Blutgruppe A bei einer Coronavirus-Infektion stärker gefährdet, Blutgruppe 0 scheint dagegen eher zu schützen. Indizien dafür liefern mehrere Studien, darunter auch ein vollständiger Genomvergleich bei knapp 2.000 Covid-19-Patienten.

AB0-Blutgruppe
Die AB0-Blutgruppe ergibt sich aus der Art der Oberflächenproteine auf den Roten Blutkörperchen.© Ttsz/ iStock.com

Blut ist nicht gleich Blut: Je nach Blutgruppe tragen unsere Roten Blutkörperchen verschiedene Proteine auf ihrer Oberfläche. Diese Merkmale sind unter anderem entscheidend dafür, wer als Spender bei einer Bluttransfusion in Frage kommt. Denn passen die Blutgruppen nicht, greift das Immunsystem die fremden Oberflächenproteine mit Antikörpern an und es droht eine Verklumpung.

Doch diese Blutmerkmale können auch bei Infektionskrankheiten eine Rolle spielen. So gibt es Bakterien und Viren, die bevorzugt an die Proteine auf den Blutkörperchen der Gruppe A andocken – die Träger dieser Blutgruppe erkranken dadurch häufiger.

Mehr Covid-Patienten mit Blutgruppe A

Jetzt zeigt sich, das die Blutgruppen auch beim Coronavirus SARS-CoV-2 eine Rolle spielen. Erste Hinweise darauf lieferte schon im März 2020 eine Studie aus China. In ihr hatten Forscher um JIao Zhao von der Universität Shenzhen die Blutgruppenverteilung von 2.173 schwerkranken Covid-19-Patienten mit der der breiten Bevölkerung in dieser Region verglichen.

Das Ergebnis: Unter den Patienten in Wuhan waren Träger der Blutgruppe A deutlich häufiger vertreten als es der normalen Verteilung entsprach: Statt gut 32 Prozent lag ihr Anteil bei 27,5 Prozent. Im Gegensatz dazu waren Träger der Blutgruppe 0 unter den Covid-Patienten unterrepräsentiert: Ihr Anteil lag bei gut 25 Prozent, während in der Bevölkerung Wuhans 33,8 Prozent diese Blutgruppe besitzen.

Nach Ansicht von Zhao und seinen Kollegen deutet dies darauf hin, dass Menschen mit Blutgruppe A anfälliger auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 reagieren und häufiger schwere Verläufe entwickeln. Blutgruppe 0 scheint dagegen eher zu schützen. „Unsere Daten legen nahe, dass die AB0-Blutgruppe ein Biomarker für die Anfälligkeit gegenüber Covid-19 ist“, konstatieren die Forscher.

Fahndung im Genom

Bestätigt wird dies durch eine Studie aus Europa, die auf ganz anderem Wege auf die Blutgruppen gekommen ist – durch eine genomweite Suche nach genetischen Risikofaktoren. David Ellinghaus von der Universität Kiel und seine gut 120 Kollegen wollten herausfinden, ob es Genmutationen gibt, die manche Menschen anfälliger für einen schweren Verlauf der Coronavirus-Infektion machen als andere.

Für ihre Studie analysierte das Forscherteam das vollständige Erbgut von 1.610 Covid-19-Patienten aus fünf Städten in Italien und Spanien. Diese Gendaten verglichen sie dann DNA-Buchstabe für DNA-Buchstabe mit dem Erbgut von 2.205 gesunder Kontrollpersonen. Insgesamt erfassten die Wissenschaftler dabei mehr als 8,5 Millionen sogenannter Einzelnukleotid-Polymorphismen – Veränderungen von jeweils nur einem DNA-Basenpaar.

Auffälligkeiten im Blutgruppen-Gen

Der genomweite Vergleich ergab zwei signifikante Auffälligkeiten: Die erste betrifft eine Gruppe von sechs Genen auf Chromosom 3, die bei den Covid-Patienten überproportional oft durch Mutationen verändert waren. Wie die Forscher feststellten, kodiert eines dieser Gene für ein Protein (SITI1), das mit dem ACE2-Rezeptor wechselwirkt – dem Protein, an das sich das Coronavirus beim Entern der Zelle bindet. Dies könnte neue Hinweise auf die Gefährdung vor allem der Lunge durch SARS-CoV-2 liefern.

Für die Blutgruppen relevant aber ist die zweite Auffälligkeit: Sie liegt in dem Gen auf Chromosom 9, das für die Kontrolle der AB0-Blutgruppen zuständig ist. Den Daten zufolge kam eine bestimmte, für Blutgruppe A kodierende Genveränderung bei den Covid-Patienten häufiger vor als in der gesunden Vergleichsgruppe.

„In Verbindung damit war auch die Verteilung der Blutgruppen bei den beatmeten Covid-19-Patienten verzerrt“, berichtet das Team. Träger der Blutgruppe A hatten ein 45 Prozent höheres Risiko für einen solchen schweren Verlauf, während Menschen mit Blutgruppe 0 zu 35 Prozent seltener davon betroffen waren. „Damit stimmen unsere Daten mit der Annahme überein, dass Blutgruppe 0 mit einem geringeren Risiko, Blutgruppe A aber mit einem höheren Risiko für Covid-19 verbunden ist“, sagen Ellinghaus und seine Kollegen.

Blutgruppen-Antikörper binden auch an ACE2

Aber warum? Eine mögliche Erklärung liefern Studien, die nach der SARS-Pandemie im Jahr 2003 durchgeführt wurden. In ihnen zeigte sich, dass Antikörper gegen das Oberflächenprotein der Blutgruppe A an den ACE2-Rezeptor andocken können. Im Zellkultur-Versuch hinderte dies das SARS-Virus daran, in die Lungenzellen einzudringen – seine Eintrittspforte war blockiert. Die Beobachtungen an den Covid-19-Patienten könnten nun nahelegen, dass es beim SARS-CoV-2 einen ähnlichen Effekt gibt.

Denn: Solche potenziell schützenden Antikörper besitzen vor allem Menschen der Blutgruppe 0 – und damit genau die Personengruppe, die seltener unter schweren Verläufen von Covid-19 zu leiden scheint. Bei Trägern der Blutgruppe A fehlen diese Antikörper dagegen, sonst würden sie die eigenen Blutkörperchen angreifen und lahmlegen. Gleichzeitig aber könnte damit auch der Schutzeffekt dieser Antikörper gegen das Coronavirus wegfallen.

Weitere Studien nötig

Doch so plausibel diese Erklärung auch ist – noch ist sie reine Spekulation. Immerhin scheinen die neuen Daten zu bestätigen, dass die Blutgruppen eine Rolle für die Anfälligkeit gegenüber SARS-CoV-2 spielen. Welche Wechselwirkungen von Blutgruppe und Virus aber tatsächlich existieren und wie sie das Covid-Risiko im Einzelnen beeinflussen, müssen Folgestudien nun erst klären

Das betonen auch Ellinghaus und seine Kollegen: „Wir sind uns dessen völlig bewusst, dass die pragmatische Herangehensweise unseres aufwändigen und in sehr kurzer Zeit umgesetzten Vorhabens bestimmte Beschränkungen mit sich bringt“, so die Forscher. Deshalb sei es nun wichtig, all diese Aspekte in weiteren Studien genauer zu erforschen. (medRxiv, doi: 10.1101/2020.03.11.20031096; medRxiv, doi: 10.1101/2020.05.31.20114991)

Quelle: medRxiv

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