Ist ein mit dem Coronavirus infizierter Mensch auch nach Ausheilung der Covid-Erkrankung noch ansteckend? Und verleiht eine durchgestandene Infektion den Patienten fortan Immunität? Über diese Frage diskutieren zurzeit Virologen weltweit. Auslöser dafür sind vier Fälle, die nach überstandener Covid-Erkrankung und zunächst negativen Tests doch wieder positiv auf das Virus getestet wurden.
Auch wenn sich das Coronavirus SARS CoV-2 weiterhin ausbreitet, sind die Neuinfektionen nur die halbe Geschichte. Denn die Mehrheit der gut 90.000 weltweit gelisteten Covid-Fälle hat sich inzwischen wieder von der Infektion erholt – darunter sind vor allem die Menschen, die sich schon im Januar mit SARS-CoV-2 angesteckt hatten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet zurzeit mehr als 50.000 wieder genesene Patienten.
Was passiert nach einer Covid-Erkrankung?
Generell gehen Mediziner davon aus, dass Menschen, die mehrere Tage lang keine Symptome mehr zeigen und in Virentests negativ getestet wurden, die Infektion überstanden haben. Der dafür eingesetzte PCR-Test (Polymerase Chain Reaction) weist jedoch nicht das intakte Virus nach, sondern reagiert auf Fragmente des Viruserbguts in den Proben. Typischerweise ist das Ergebnis dieser Tests daher negativ, wenn keine Viren mehr im Körper vorhanden sind.
Doch auch ohne einen solchen Test ist nach Einschätzung der meisten Virologen die Ansteckungsgefahr durch gesundete Patienten eher gering: „Man geht davon aus, dass sich wenn jemand die Erkrankung überstanden hat, Antikörper gebildet haben und sich das Virus nicht mehr weiter im Körper vermehrt“, erklärt Isabella Eckerle, Virologin am Universitätsklinikum Genf. Bisher werden deshalb Covid-Patienten nach Ende ihrer Symptome als geheilt entlassen und sie müssen nach einem Sicherheitspuffer von einigen Tagen in der Regel auch keine Quarantäne mehr einhalten.
Trotz Genesung wieder positiv getestet
Doch Ende Februar 2020 sorgte eine wissenschaftliche Veröffentlichung aus China für Aufsehen – sie schien dem gängigen Bild einer ausgeheilten Infektion zu widersprechen. Mediziner um Lan Lan vom Zhongnan Hospital in Wuhan berichteten darin von vier Covid- Patienten, die nach Abklingen der Symptome zweimal im Abstand von einem Tag negativ auf SARS-CoV-2 getestet worden waren.
Als dann der PCR-Test aber nach fünf bis 13 Tagen erneut wiederholt wurde, waren die Werte wieder positiv. Neue Symptome traten bei diesen Patienten allerdings nicht auf. Dieser Bericht weckt die Frage, ob das Coronavirus in geheilten Patienten möglicherweise doch noch vorhanden sein kann – und ob diese Patienten damit auch weiterhin ansteckend sein könnten.
Kein Beleg für anhaltende Ansteckungsgefahr
Dieser Befürchtung widersprechen nun gleich mehrere Virologen und Infektionsmediziner: „Was mit dem PCR-Test detektiert wird, ist nicht das Virus, sondern das Virusgenom. Virale RNA kann aber oft lange, nachdem das infektiöse Virus verschwunden ist, noch nachgewiesen werden“, erklärt Florian Krammer vom Mount Sinai Hospital in New York. „Das kommt bei Masern vor, aber auch bei Zika und Ebola.“
Nach Einschätzung des Experten sind solche viralen Erbgutreste höchstwahrscheinlich auch für das vermeintliche Wiederaufflammen der Infektion bei den vier chinesischen Patienten verantwortlich. Ähnlich sieht es auch Isabella Eckerle, Virologin am Universitätsklinikum Genf: „Solange noch Reste des Virus vorhanden sind, bleibt der Test positiv, obwohl das Virus vielleicht schon nicht mehr infektiös ist“, erklärt sie. Sie geht daher davon aus, dass die positiven Testergebnisse bei diesen von Covid-19 genesenen Patienten kein Anzeichen für eine anhaltende Infektion oder eine weitere Ansteckungsgefahr sind. Ähnlich sieht es auch Krammer.
Ist man nach überstandener Infektion immun?
Eine weitere zurzeit diskutierte Frage ist die Immunität: Sind Patienten nach überstandener Covid-Erkrankung gegen eine Neuinfektion geschützt? „Wir haben schon Daten dazu, dass Covid-19-Patienten nach einer Infektion mit dem Virus Antikörper bilden“, berichtet Eckerle. Ähnlich wie bei der Grippe oder Masern ist das Immunsystem der Betroffenen dadurch gegen eine weitere Infektion mit dem gleichen Virus geschützt.
„Wir gehen daher davon aus, dass Patienten nach einer durchgemachten Coronavirus-Infektion eine Immunität gegen das Virus entwickeln“, sagt Eckerle. Dies sei auch bei den eng verwandten Viren SARS und MERS-CoV beobachtet worden. Allerdings ist zurzeit noch unklar, wie lange diese Immunität anhält. „Wenn man eine Analogie zu den anderen Coronaviren annimmt, könnte man von einem Zeitraum von ein paar Jahren ausgehen: Bei SARS beispielsweise sind Antiköper drei bis fünf Jahre nachweisbar“, so die Virologin.
(Noch) keine Anzeichen für eine Mutation
Ein solcher Immunschutz setzt allerdings voraus, dass das Virus nicht in der Zwischenzeit mutiert. Bisher gibt es dafür jedoch keine Anzeichen. Einem Bericht der WHO zufolge sind bisher 104 verschiedene Isolate des Coronavirus SARS-CoV-2 bekannt, die zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 entnommen und analysiert wurden. Das Erbgut dieser Viren war zu 99,9 Prozent identisch, Indizien für eine signifikante Mutation gebe es daher nicht, so der WHO-Report.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass das Coronavirus im Verlauf seiner weltweiten Ausbreitung doch noch mutieren könnte. Das könnte dazu führen, dass die Übertragbarkeit noch weiter steigt und sich auch die Schwere der Krankheitsverläufe verändert – beispielsweise weil sich das Virus noch besser an die menschlichen Zellen anpasst. Bislang aber gibt es dafür keine Anzeichen.
Neuinfektionen in China gehen zurück
Und noch etwas stimmt hoffnungsvoll: In China scheinen die drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie langsam zu wirken. Die Zahl der täglichen Neuerkrankungen ist von anfangs fast 2.000 pro Tag auf nur noch rund 200 zurückgegangen, wie die WHO mitteilt. In Südkorea nimmt die Zahl der Infektionen zwar weiter zu, es gibt aber keine Hinweise auf eine weitere Ausdehnung der Ausbruchszonen: „Die Fälle dort scheinen hauptsächlich von den fünf bekannten Clustern zu kommen, nicht aus der breiten Bevölkerung“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Nach Ansicht der WHO ist dies ein Hinweis darauf, dass eine schnelle Reaktion und Quarantäne dazu beitragen kann, die Ausbreitung von SARS-CoV-2 zumindest zu bremsen, möglicherweise sogar aufzuhalten. „Wenn dies eine Influenza-Pandemie wäre, dann würden wir eine weitverbreitete Übertragung in der Bevölkerung rund um den Globus erwarten“, sagt Ghebreyesus. Aber das scheine bislang nicht der Fall zu sein.
„Unsere Botschaft an alle Länder ist: Wir können dieses Virus zurückdrängen. Eure Handlungen werden den Verlauf des Ausbruchs in eurem Land bestimmen“, so der WHO-Generaldirektor. Allerdings gibt es viele Epidemiologen, die durchaus schon von einer Pandemie sprechen und die eine Eindämmung des Coronavirus für nicht mehr möglich halten. Wer Recht hat, wird sich zeigen müssen.
Quelle: WHO, Nature, SMC, Robert-Koch-Institut, JAMA, doi: 10.1001/jama.2020.2783