Ähnlich wie es weiße Farbe und ein weißes Rauschen gibt, existiert auch ein „weißer Geruch“: Ein Duft, der alle Kanäle unseres Geruchssinns belegt und andere Gerüche neutralisiert. Das haben israelische Forscher in einem Experiment herausgefunden. Dafür mischten sie zahlreiche Duftkomponenten so zusammen, dass sie alle die gleiche Intensität hatten und breit über das Spektrum der vom Menschen wahrnehmbaren Geruchsqualitäten verteilt waren.
Ab etwa 30 solcher Komponenten konnten Probanden diese Mischungen nicht mehr auseinanderhalten – sie rochen für sie auch dann gleich, wenn sie aus völlig verschiedenen chemischen Bestandteilen zusammengesetzt waren. Selbst die markanten Duftstoffe der Rose seien völlig maskiert worden, wenn sie mit zahlreichen anderen zu einem solchen weißen Geruch zusammengemischt wurden, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Dies belege, dass ein solcher weißer Reiz nicht nur beim Sehen und Hören existiere, sondern auch beim Geruch.
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Die Voraussetzung für einen neutralen, „weißen“ Reiz sind zwei Dinge, wie Tali Weiss vom Weizman Institute of Science in Rehovot und seine Kollegen erklären: Die einzelnen miteinander kombinierten Reizkomponenten müssen über den gesamten Wahrnehmungsraum verteilt und von gleicher Intensität sein. Ein Geräusch, das nahezu alle Frequenzen mit gleicher Intensität abdeckt, wird so zum weißen Rauschen. Bisher sei aber unklar gewesen, ob es auch beim Geruch etwas Entsprechendes gebe, sagen die Forscher.
Weißer Duft riecht unauffällig
Wie Weiss und seine Kollegen berichten, ist auch der weiße Duft keineswegs geruchslos – ähnlich wie ja das optische Weiß ebenfalls nicht unsichtbar sei. Er rieche aber sehr neutral und eher unauffällig. „Das erklärt auch, warum professionelle Parfumeure diesen Duft ganz unterschiedlich beschrieben haben“, schreiben Weiss und seine Kollegen. Trotzdem seien Duftmischungen aus mehr als 30 Komponenten von den Probanden problemlos als weiß erkannt worden – im Experiment wurde diese Geruchsklasse allerdings mit dem neutralen Namen „Laurax“ bezeichnet, um die Teilnehmer nicht zu beeinflussen.
Zwar bestehen auch Wein-, Kaffee- oder Rosenduft aus vielen Komponenten, sie riechen aber dennoch unverwechselbar. Wie die Forscher erklären, dominieren bei solchen Düften im Unterschied zum weißen Geruch nur einige wenige Komponenten das Geruchsbild. Bei der Rose beispielsweise bestehe der Duft zu 70 Prozent aus Phenethylalkohol. Zum anderen riechen viele Komponenten bei diesen Düften ähnlich, sie bilden quasi Klumpen im Geruchsbild und erzeugen so die charakteristisch süße, fruchtige oder herbe Note.
Duftmischungen im Riechglas
Für ihre Studie stellten die Forscher zunächst mehrere verschiedene Duftmischungen her, die aus 1 bis 43 Geruchskomponenten bestanden. Jede Komponente wurde dafür getrennt von den anderen auf ein Filterpapier am Boden eines Riechglases getropft, so dass sich nur ihre aufsteigenden Dämpfe mischten. Die insgesamt 56 Probanden bekamen pro Durchgang jeweils zwei verschiedene Riechgläser. Sie sollten die Merkmale der Duftmischungen anhand eines standardisierten Fragebogens beschreiben und angeben, wie ähnlich die beiden Mischungen für sie rochen.
„Je mehr Komponenten die Mischungen hatten, desto ähnlicher rochen sie für die Probanden“, berichten die Forscher. Ab 30 Komponenten seien sie nicht mehr voneinander unterscheidbar gewesen. Das gelte auch für Mischungen, in denen Grundstoffe des einprägsamen Rosendufts enthalten waren: Die Probanden konnten die Rosenaroma-haltigen Proben nicht von denen ohne diese unterschieden. Der weiße Geruch habe den Rosenduft verschluckt, erklären die Forscher (doi:10.1073/pnas.1208110109).
(Proceedings of the National Academy of Sciences, 20.11.2012 – NPO)