Neurobiologie

Depression entzündet das Gehirn

Entzündungswerte steigen mit Dauer der Erkrankung an

Bei länger andauernden, unbehandelten Depressionen kommt es zu immer stärkeren Entzündungsreaktionen im Gehirn. © Adrian Hillman/ iStock.com

Fortschreitende Erkrankung: Im Laufe einer Depression verändert sich das Gehirn immer mehr. Eine Studie zeigt: Je länger das Leiden unbehandelt bleibt, desto stärker entzündet sich das Denkorgan. Ein ähnliches Phänomen ist von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer bekannt. Zu denen zählen Depressionen zwar nicht. Trotzdem scheine es unterschiedliche Stadien der Erkrankung zu geben – die womöglich auch unterschiedlich behandelt werden müssen, schreiben die Forscher.

Eine Depression ist mehr als nur eine psychische Verstimmung. Schon seit den 1960er Jahren ist bekannt, dass bei Betroffenen der Hirnstoffwechsel aus dem Lot geraten ist. In ihrem Gehirn herrscht ein Mangel von Neurotransmittern wie dem Botenstoff Serotonin. Doch das ist noch nicht alles: Inzwischen haben Forscher auch nachgewiesen, dass es bei Depressionen zu Entzündungsreaktionen im Denkorgan kommen kann – Reaktionen, wie sie typischerweise nach Hirnverletzungen oder bei Erkrankungen wie Alzheimer ablaufen.

Der Entzündung auf der Spur

Elaine Setiawan vom Centre for Addiction and Mental Health in Toronto und ihre Kollegen haben sich dieses Symptom nun genauer angesehen. Für ihre Studie untersuchten sie insgesamt 30 gesunde Menschen und 50 Patienten mit Depressionen, von denen die Hälfte länger als zehn Jahre an der Erkrankung litt und die andere Hälfte weniger als zehn Jahre.

Mithilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) warfen die Wissenschaftler einen Blick ins Gehirn der Probanden. Konkret suchten sie nach Anzeichen für entzündliche Immunreaktionen, die mit dem bildgebenden Verfahren sichtbar gemacht werden können. Würde sich die Konzentration dieser Biomarker je nach Gesundheitszustand unterscheiden?

Zeitspanne ohne Behandlung ist entscheidend

Es zeigte sich: Das Gehirn der depressiven Probanden war tatsächlich stärker entzündet als das der gesunden. Außerdem schienen die Entzündungswerte mit der Dauer der Erkrankung zuzunehmen. Ausschlaggebend war dabei vor allem, wie lange die Depression unbehandelt geblieben war, wie das Team berichtet.

Wer zehn Jahre oder länger gegen schwere Depressionen keine Medikamente eingenommen hatte, bei dem waren die Entzündungswerte im präfrontalen Kortex, dem Gyrus cinguli sowie der Insula 29 bis 33 Prozent höher als bei Patienten, die über einen Zeitraum von weniger als zehn Jahren keine Antidepressiva genommen hatten.

Eine neue Erkrankungsphase

Für die Forscher ist dies ein Zeichen dafür, dass es unterschiedliche Stadien der Erkrankung gibt. Eine länger als ein Jahrzehnt andauernde, unbehandelte Depression geht demnach offenbar in eine neue Phase über. „Eine stärkere Entzündung im Gehirn ist eine typische Reaktion, wenn neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson fortschreiten“, sagt Seniorautor Jeff Meyer von der Universität Toronto.

Zwar gehören Depressionen nicht zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Die Veränderungen des Entzündungsgrades zeigen aber, dass die Erkrankung keineswegs statisch ist. Womöglich müssten Depressionen in einem fortgeschrittenen Stadium auch anders behandelt werden, vermuten die Forscher – zum Beispiel mit Medikamenten, die gezielt die Entzündung im Gehirn angehen. Von welchen zusätzlichen Behandlungsoptionen betroffene Patienten profitieren könnten, will das Team in Zukunft genauer erforschen. (Lancet Psychiatry, 2018; doi: 10.1016/S2215-0366(18)30048-8)

(Centre for Addiction and Mental Health, 27.02.2018 – DAL)

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