Medizin

Deutschland bleibt sitzen

Bericht "Wie gesund lebt Deutschland?" zeigt bundesweiten Bewegungsmangel

Langes Sitzen erhöht das Risiko für die typischen Volkskrankheiten © freeimages

Stillsitzen erst am Arbeitsplatz, dann vor dem Fernseher: Die Menschen in Deutschland sitzen zu viel und bewegen sich zu wenig. Dies macht der aktuelle Bericht „Wie gesund ist Deutschland?“ deutlich. Nicht nur Erwachsene verbringen zu viel Zeit im Sitzen – besonders bedenklich sei, dass auch Kinder nach diesem Vorbild aufwachsen und sich kaum bewegen, warnen die Autoren des Berichts.

Wir hatten es nie so bequem wie heute: Arbeiten, Fernsehen, Autofahren, online Einkaufen und vieles mehr lassen sich im Sitzen erledigen. Der damit verbundene Bewegungsmangel ist ein wachsendes Gesundheitsproblem in Deutschland. Langes Sitzen gilt dadurch mittlerweile als eigenständiger Risikofaktor. Die aktuelle Ausgabe des Berichtes „Wie gesund lebt Deutschland?“ der Deutschen Krankenversicherung (DKV) liefert ein detailliertes Bild über das Gesundheitsverhalten der Deutschen.

„Ein Volk der Sitzenbleiber“

Für den Bericht befragte das Marktforschungsinstitut GfK Nürnberg mehr als 3.000 Menschen in Deutschland intensiv zu ihrem Gesundheitsverhalten. Die Befragten berichteten am Telefon umfangreich über ihren Alltag: wie viel sie sich bewegen, was sie essen, wie gestresst sie sind und wie sie mit Alkohol und Zigaretten umgehen. Neu im diesjährigen Bericht waren Fragen dazu, bei welchen Gelegenheiten und wie lange die Menschen sitzen. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich außerdem mit dem Verhalten der sechs- bis zwölfjährigen Kinder der Teilnehmer.

Fazit des Berichts: Die Menschen sitzen viel zu viel. Im Durchschnitt verbringen wir etwa siebeneinhalb Stunden am Tag im Sitzen, bei jüngeren Menschen sind es sogar neun Stunden. Bei klassischen „Schreibtischtätern“ sind es meist noch einige Stunden mehr. „Wir sind ein Volk der Sitzenbleiber geworden“, urteilt Clemens Muth von der DKV. „Das dauerhafte Sitzen hat weitreichende Folgen für den Fett- und Blutzuckerstoffwechsel und macht die Menschen krank.“

Fernsehen erhöht Sterblichkeit

Ein Hauptverantwortlicher dafür sei das Fernsehen, urteilen die Wissenschaftler, denn davor säßen die Menschen im Schnitt am längsten. Jede tägliche zusätzliche Fernsehstunde auf dem Sofa erhöhe die Sterblichkeit statistisch um elf Prozent. „Also kann jeder sich etwas Gutes tun, indem er den Fernseher nach der Lieblingssendung ausschaltet und vom Sofa aufsteht“, empfiehlt Studienleiter Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Bei Erwachsenen und Kindern fehlt ausreichend Bewegung. © DKV

Direkt hinter der Zeit vor dem Fernseher folgt im Bundesdurchschnitt die Arbeit am Schreibtisch. Hier sind den Autoren des Berichts zufolge die Arbeitgeber gefordert. „Es gibt Möglichkeiten, das Sitzen zu begrenzen, etwa Stehmeetings, verstellbare Schreibtische und aktive Büropausen“, so Froböse. Gerade mit Blick auf die älter werdenden Belegschaften und den Fachkräftemangel sollten Arbeitgeber das Thema Dauersitzen ernst nehmen.

Kinder wachsen im Sitzen auf

Doch nicht nur die Erwachsenen, auch die Kinder sitzen zu lange – im Durchschnitt sind es vier Stunden am Tag, zusätzlich zur Schulzeit. „Kinder wachsen praktisch im Sitzen auf und kopieren den ungesunden Lebensstil ihrer Eltern“, sagt Muth. Auch bei den Kindern seien Fernseher und andere Bildschirmmedien wie Computer und Spielkonsolen der Hauptgrund.

Besonders im Grundschulalter sei ausreichend Bewegung bei Kindern wichtig für eine gesunde körperliche, aber auch geistige und soziale Entwicklung. Mindestens eine Stunde pro Tag sollten Kinder darum toben, Ball spielen, Rad fahren oder ähnliches. Aber nicht einmal jedem zweiten Kind gelingt das. 18 Prozent der Kinder schaffen die empfohlene Stunde Aktivität nur an zwei Tagen pro Woche oder weniger. „Spätestens in der Grundschulzeit haben die Kinder verinnerlicht, dass sowohl Schule als auch Freizeit vor allem im Sitzen stattfinden“, so Muth. Dies könne sogar dazu führen, dass Kinder mit dem Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) fehldiagnostiziert werden, weil sie ihren Bewegungsdrang nicht kindgerecht ausleben.

Eine Folge des Bewegungsmangels sei bereits erkennbar: Fünfzehn Prozent der Kinder in Deutschland sind übergewichtig, sechs Prozent sogar krankhaft. Muth betont daher die Verantwortung und Vorbildfunktion der Eltern. Aber auch die Schulen könnten mehr dafür tun, dass die Kinder regelmäßig Bewegung bekommen. „Täglicher Schulsport ist eine gute Idee, auch Bewegungspausen, die das Sitzen unterbrechen. Ich bin mir sicher, dass die Schulen hier noch viel besser werden können“, so Muth.

(Deutsche Sporthochschule Köln / DKV Deutsche Krankenversicherung AG, 26.01.2015 – AKR)

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