Medizin

Die Vogelgrippe erreicht das Mittelmeer

„Hohe“ Einschleppungs-Gefahr nach Deutschland durch Lebensmittel

Der Vogelgrippe-Erreger hat jetzt auch die Urlaubsregionen an der türkischen Mittelmeerküste erreicht: In dem Urlaubsort Kusadasi und in Izmir verendeten Tauben, Amseln und Hühner an dem für den Menschen gefährlichen Virusstamm H5N1. Damit rückt die Gefahr einer Ausbreitung auch für Deutschland näher.

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Die Vogelgrippe breitet sich weiterhin ungebremst aus. In Istanbul stellte die Polizei zwei komplette Vororte unter Quarantäne. Weder die Vernichtung von etwa 100.000 Tieren seit Dezember 2005, noch die Aufklärungskampagnen der türkischen Regierung konnten den Übersprung von H5N1 auf den europäischen Teil der Türkei nicht verhindern. Am Montag bestätigten Labortests das erste infizierte Tier in der Hauptstadt Istanbul – der Erreger hatte den Bosporus überquert und damit einen „Fuß“ in den europäischen Teil der Türkei gesetzt.

Auch in Deutschland ist der Ausbruch der Vogelgrippe „nicht unwahrscheinlich“ sagte der Virologe Christian Drosten vom Hamburger Bernhard-Nocht-Insitut. Das Risiko eines „Einschleppens“ des Viruserregers ist laut dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit besonders hoch beim illegalen Import von Geflügel und Geflügelprodukten. Trotz eines Einfuhrverbotes aus den Ländern, die bereits von der Vogelgrippe betroffen waren, nehmen Einreisende immer wieder Lebensmittel mit nach Deutschland.

Bereits seit August 2005 sind Polizei und Zoll an Flughäfen und Grenzübergängen verstärkt auf der Suche nach den gefährlichen Mitbringseln. Am Frankfurter Flughafen wurden dabei in nur vier Wochen unter anderem Enten aus Thailand, Entenfüße und rohe Eier aus China, und Geflügelfleisch aus Indonesien und Vietnam mit einem Gesamtgewicht von 826 Kilogramm beschlagnahmt. Die Kontrolle der unzähligen Reisebusse aus dem Mittelmeerraum ist wesentlich schwieriger. Dennoch entdeckten hessische Fahnder in nur wenigen Stunden etwa 200 Kilogramm rohes Entenfleisch, Wachteleier, Truthähne und Hühner im Gepäck der Reisenden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte daher Verbraucherminister Horst Seehofer gebeten mit seinen Länderkollegen auf der Sondersitzung am Mittwoch „alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um Infektionsfälle in Deutschland nicht aufkommen zu lassen“. Der CDU-Abgeordnete Bleser schlug sogar vor, die Grenzkontrollen bereits im Ausreiseland beginnen zu lassen. Horst Seehofer kündigte direkt nach der Konferenz an: „Wir werden das Menschenmögliche tun, Bund und Länder gemeinsam mit Europa, diese gefährliche Tierseuche in den Griff zu bekommen“. Daher werde auch mit „höchster Wahrscheinlichkeit“ zum Beginn des Vogelzuges zwischen Februar und März erneut eine Stallpflicht angeordnet.

Der Virus als dauerhafte Gefahr für Europa?

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Große Sorgen macht sich ein internationales Wissenschaftsteam in der Türkei aufgrund der neuesten Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf beim Menschen. So hatten Mediziner aus dem Keciören-Krankenhaus in Ankara beobachtet, wie zwei Brüder zwar positiv auf H5N1 getestet wurden, aber keinerlei Anzeichen der Erkrankung zeigten. Das widerspricht der bisherigen Meinung der Spezialisten, dass der Virus sowohl bei Vögeln als auch beim Menschen aggressiv zum Tod führt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WH0) dementiert zwar eine mögliche Mutation des Erregers, wodurch etwa die Grippe von Mensch zu Mensch übertragen werden könnte. Bei den Wissenschaftlern unbestritten ist jedoch, dass sich der Virus bereits verändert hat, und dabei ist sich in diesem Gebiet „häuslich einzurichten“. Das könnten die ersten Schritte sein, die den H5N1-Virus in der Türkei zu einer dauerhaften Gefahr machen, sagte ein Wissenschaftler der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO). Hans-Dieter Klenk, Professor am Zentrum für Hygiene und Infektionsbiologie der Uni Marburg, befürchtet sogar: „Dadurch hat das Virus dann eine größere Chance, sich zu verändern und dem Menschen anzupassen“.

Weltweit sind bisher etwa 80 Menschen an der Vogelgrippe gestorben. In den vergangenen Tagen starb auch das dritte Kind einer Familie in der osttürkischen Stadt Van an dem Erreger – Seine beiden Geschwister waren letzte Woche die ersten Toten, die das Virus außerhalb von Asien. Zurzeit sind in der Türkei 15 Patienten auf H5N1 positiv getestet worden und 100 weitere werden untersucht.

(WHO – Bernhard-Nocht-Institut, 12.01.2006 – DGO)

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