Wie wird aus einer einzigen Zelle ein ganzer Organismus? Die Antwort auf diese Frage hat das Fachmagazin „Science“ zum Durchbruch des Jahres 2018 gekürt. Denn dank neuer Methoden können Forscher die Embronalentwicklung erstmals Zelle für Zelle mitverfolgen. Unter den wissenschaftlichen Highlights des Jahres sind aber auch ein Neutrino-speiender Blazar, das älteste Tier der Erde und ein urzeitliches Mischlingskind.
Jedes Jahr kurz vor Weihnachten wählen die Mitarbeiter des Fachmagazins „Science“ ihre Top Ten des Jahres: Die Forschungsergebnisse und Entdeckungen, die sie für die bedeutendsten halten. Eines davon küren sie zum Durchbruch des Jahres. 2017 war dies der erste Nachweis einer Neutronenstern-Kollision, 2016 waren die ersten Gravitationswellen das Top-Errungenschaft und 2015 die Genschere CRISPR/Cas9.
Von der Zelle zum Organismus
In diesem Jahr steht ein Meilenstein der Embryonalforschung oben auf der Liste – und ein Rätsel, das schon antike Gelehrte beschäftigte: Wie entsteht aus der befruchteten Eizelle der ganze komplizierte Körperapparat eines Lebewesens? Und was kontrolliert diese Entwicklung? Lange entzog sich dieses Mysterium auf Zellebene jeder Beobachtung, doch mit der Entwicklung moderner Analysetechnologien hat sich das geändert.
Dank neuer Analysemethoden können Forscher jetzt mitverfolgen, welche Gene zu welcher Zeit in den Zellen an- oder abgeschaltet werden. Durch die Kombination dieser als „single-cell RNA-seq“ bezeichneten Methode mit Technologien, durch die einzelne Zellen im Embryo markiert und verfolgt werden können, können Wissenschaftler live beobachten, wie sich die Zellen zu Geweben zusammenfinden. 2018 wurde auf diese Weise bereits die Embryonalentwicklung von Plattwürmern, einem Fisch, einem Frosch und weiteren Tieren entschlüsselt.
Neutrino-Ursprung und ein Eiszeit-Einschlag
Zu den weiteren Highlights des Jahres gehören zwei „himmlische“ Ereignisse: Das erste ist eng mit dem Neutrino-Detektor IceCube am Südpol verknüpft. Mit seiner Hilfe und mit Teleskopen weltweit gelang es Wissenschaftlern erstmals, energiereiche kosmische Neutrinos zu ihrer Quelle zurückzuverfolgen. Demnach entstanden diese fast masselosen Elementarteilchen in einem rund vier Milliarden Lichtjahre entfernten Blazar – einem aktiven Schwarzen Loch im Herzen einer Galaxie.
Das zweite himmlische Ereignis ist die Entdeckung eines 31 Kilometer großen Einschlagskraters unter dem Eis Grönlands. Dieser Krater muss von einem rund einen Kilometer großen Brocken geschaffen worden sein – und das möglicherweise erst während der letzten Eiszeit. Das aber bedeutet, dass unsere Vorfahren die Folgen dieser Einschlagskatastrophe vermutlich miterlebten.
Urzeit-Mischlingskind und ältestes Tier
Weit zurück in die Menschheitsgeschichte geht ein weiteres Highlight des Jahres 2018: Ein vor 50.000 Jahren gestorbenes Mädchen entpuppte sich als urzeitliches Mischlingskind. DNA-Analysen enthüllten, dass das in Sibirien gefundene Kind die die Tochter einer Neandertalerin und eines Denisova-Mannes. Dies lieferte erneut die Bestätigung dafür, dass sich die verschiedenen Menschenarten der Gattung Homo immer wieder untereinander kreuzten und Mischformen hervorbrachten.
Noch weiter zurück bis an den Ursprung der irdischen Tierwelt geht dagegen ein Durchbruch in der Paläontologie. Im Herbst 2018 identifizierten Forscher mithilfe moderner Analysemethoden das bisher älteste mehrzellige Tier der Welt. In dem 558 Millionen Jahre alten Fossil aus Russland wiesen sie Relikte typisch tierischer Fettmoleküle nach. Erst dadurch gelang es ihnen, die wahre Natur dieses Rätselwesens zu enthüllen.
Forscher als Kriminalisten
Ganz praktischen Nutzen brachten DNA-Analysen dagegen bei der Lösung eines alten Kriminalfalls: Dank einer umfangreichen DNA-Datenbank in den USA konnten Forscher einen Serienvergewaltiger der 1970er und 1980er Jahre überführen. Sie verglichen DNA-Profile mehrerer Verwandter des Täters mit DNA-Spuren an den Opfern.
Abgerundet wird der Reigen der Highlights durch die Zulassung eines Arzneimittels, das eine Erbkrankheit mittels RNA-Blockade behandelt, eine neue Methode, um Kristallstrukturen zu entschlüsseln und die Entdeckung, dass Proteine in der Zelle eine Art Tropfen bilden. Zu guter Letzt zählen die „Science“-Editoren auch die #MeToo-Kampagne auch zu den wichtigen Ereignissen des Jahres. Denn sie hat auch in der Welt der Wissenschaft einiges bewegt.
Quelle: Science