Startsignal für wachsendes Leben: Zum ersten Mal haben Wissenschaftler kartiert, welche Gene in den allerersten Tagen eines menschlichen Embryos aktiv sind. Nur 32 Gene sind demnach am ersten Lebenstag nötig, um den Entwicklungsprozess zu starten. Die identifizierten Gene liefern wichtige Informationen über die menschliche Embryonalentwicklung und könnten auch bei neuen Stammzelltherapien helfen, schreiben die Forscher im Journal „Nature Communications“.
Jedes menschliche Leben beginnt mit einer befruchteten Eizelle. Nach einem Tag hat diese sich bereits in zwei Zellen aufgeteilt, einen weiteren Tag später sind es schon vier Zellen, dann acht, und so weiter. Bis zur Geburt des Kindes haben sich Milliarden von Zellen zusammengefunden und organisiert, um einen neugeborenen Körper zu bilden.
„Zündschlüssel“ aus wenigen Genen
Hinter diesem Organisationsprozess stehen unsere Gene – aber welche und wie viele Gene genau an den besonders wichtigen Entwicklungsschritten nach der Befruchtung beteiligt sind, war bislang eines der großen Mysterien. Doch Forscher um Juha Kere vom Karolinska Institut in Stockholm haben dieses Rätsel nun gelüftet.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass zwei Tage nach der Befruchtung nur 32 von den etwa 23.000 Genen des menschlichen Erbguts angeschaltet sind. Am dritten Tag sind es bereits 129. „Diese Gene sind der ‚Zündschlüssel‘, der gedreht werden muss, um die Entwicklung eines menschlichen Embryos zu starten,“ sagt Kere. Sieben dieser von den Forschern identifizierten und untersuchten Gene waren zuvor völlig unbekannt.
„Müll-DNA“ als Schlüsselfaktor
Um diese Schlüsselgene erfolgreich zu kartieren, mussten Kere und Kollegen sich jedoch erst durch eine Menge „genetisches Rauschen“ hindurcharbeiten: die sogenannte „Junk–DNA“. Sie codiert keine Proteine, macht aber rund 98 Prozent des gesamten Erbguts aus und galt lange Zeit geradezu als Datenmüll.
Mittlerweile ist aber bekannt, dass Abschnitte dieser vermeintlich nutzlosen DNA wichtige Funktionen übernehmen. Sie regulieren die Aktivität anderer Gene und dienen möglicherweise als Langzeit-Speicher für Informationen.
Neue Faktoren für Stammzell-Produktion
Die Forscher fanden nun heraus, dass die neu identifizierten Gene bei der Embryonalentwicklung auch mit der vermeintlichen Müll-DNA interagieren. Dieses Zusammenspiel ist offenbar entscheidend, um das Wachstum des neuen Lebens zu starten. „Unsere Ergebnisse liefern neue Einblicke in die Regulation der frühen Embryonalentwicklung beim Menschen“, sagt Koautor Outi Hovatta vom Karolinska Institut.
Die Erkenntnisse sind auch für die Medizin interessant, führt Hovatta aus: „Wir haben neue Faktoren identifiziert, mit denen sich Zellen in sogenannte pluripotente Stammzellen umprogrammieren lassen könnten.“ Diese Zellen könnten in Therapien gegen verschiedene Nerven- oder Muskelkrankheiten oder möglicherweise auch gegen Unfruchtbarkeit helfen. (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/NCOMMS9207)
(Karolinska Institutet, 03.09.2015 – AKR)