Der Boom der E-Books und digitalen Lesegeräte könnte für Menschen mit Lese-Rechtschreib-Schwäche handfeste Vorteile bringen. Ein Experiment von US-Forschern zeigt, dass viele Legastheniker einen Text auf dem iPod schneller lesen können und besser verstehen als auf Papier. Der Grund: Wenn die Zeilen nur zwei bis drei Wörter lang sind, fällt es den Betroffenen leichter, ihren Blick auf die einzelnen Wörter zu konzentrieren. Die elektronischen Lesegeräte könnten daher für viele eine wertvolle Hilfe sein, so die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“.
Menschen mit Legasthenie haben größere Schwierigkeiten, Buchstaben, Silben und Wörter zu erkennen und zu schreiben. Sie lesen zudem deutlich langsamer und werden leichter durch nebenstehende Textteile abgelenkt. Bereits im letzten Jahr ergab eine Studie mit Kindern, dass sie weniger Fehler machen und schneller lesen, wenn Texte besonders groß und weit gesetzt sind. Denn dies gleicht ihre Probleme mit der visuellen Aufmerksamkeit aus – das „Abrutschen“ aus der Zeile“ und die Schwierigkeiten, einzelne Buchstaben innerhalb der Wörter optisch voneinander zu trennen.
„Mindestens ein Drittel der Legastheniker, die wir getestet haben, hatten diese Probleme mit der visuellen Aufmerksamkeit“, erklärt Matthew H. Schneps von der Smithsonian Institution. Um zu testen, ob das Lesen per E-Book-Reader den Betroffenen helfen kann, untersuchten die Forscher den Effekt bei 103 legasthenischen Schülern einer Highschool. Sie verglichen jeweils das Leseverständnis und die Lesegeschwindigkeit, wenn die Schüler einen Text lasen – einmal normal formatiert auf Papier und einmal auf einem iPod als E-Reader, mit Zeilen, die nur zwei bis drei Wörter lang waren.
Kurze Zeilen erleichtern das Fixieren
Das Ergebnis: Das Lesen mit dem iPod fiel vor allem den Legasthenikern deutlich leichter, die große Probleme mit der visuellen Aufmerksamkeit hatten. „Die verkürzten Zeilen helfen dabei, den Blick zu fokussieren und gleichen die typischerweise unkoordinierteren Augenbewegungen der Betroffenen beim Lesen aus“, erklären die Forscher. Dadurch erhöht sich die Lesegeschwindigkeit, aber auch das Leseverständnis signifikant. Ein Grund dafür: Die Ablenkung durch benachbarte Wörter ist geringer und es ist zudem leichter, mit dem Blick in der Zeile zu bleiben.
„Das bestätigt vorhergehende Studien, nach denen bereits einfache Anpassungen in der Formatierung von Texten für Legastheniker eine große Erleichterung bedeuten können“, so Schneps. Allerdings: Das Lesen mit dem iPod hilft nicht allen Legasthenikern. Einige Schüler, deren Probleme weniger in der visuellen Aufmerksamkeit lagen, sondern in anderen Bereichen der Sprachverarbeitung, profitierten nur wenig von der Umformatierung der Texte.
Ein E-Reader sei daher ein wertvolles Hilfsmittel und eine neue Chance für viele, aber nicht die Lösung aller Probleme von Legasthenikern. Um ihnen nachhaltig zu helfen, sei ein ganzheitliches Konzept entscheidend. (PloS ONE, 2013; doi: 10.1371/journal.pone.0075634)
(Smithsonian Institution, 19.09.2013 – NPO)