Gefährlicher THC-Ersatz: Cannabinoidhaltige Liquids können bei der Verwendung in E-Zigaretten und Glaspfeifen das hochgiftige Gas Keten erzeugen, wie eine Untersuchung nahelegt. Besonders hohe Werte erreichte dabei CBD-Acetat: Bei einem tiefen Zug werden die gesundheitsgefährdenden Grenzwerte fast um das Doppelte überschritten. Die Forscher erhoffen sich durch ihre Arbeit einen besseren Verbraucherschutz – insbesondere, da die Acetate derzeit nicht reguliert sind.
Viele ehemalige Tabakkonsumenten sind mittlerweile von der klassischen auf die E-Zigarette umgestiegen. Das hängt insbesondere damit zusammen, dass diese als deutlich weniger gesundheitsschädlich gelten. Außerdem sind die elektronischen Zigaretten, die auch als Dampfer oder Vaporizer bezeichnet werden, flexibler, was Geschmacksrichtungen oder Inhaltsstoffe angeht. Dies kann zwar Vorteile bringen, birgt aber auch Gefahren, besonders weil es aktuell noch kaum Langzeitforschung zum Dampfen gibt und sich der Markt schnell entwickelt.
Acetate als THC-Ersatz
Welche Gefahren das sein können, zeigt eine Ende 2019 beobachtete Auffälligkeit in den USA. Dort wurden zu dieser Zeit knapp 3.000 Menschen wegen Lungenschäden in Krankenhäuser eingeliefert, manche von ihnen verstarben. Nachfolgende Untersuchungen ergaben, dass die gesundheitlichen Schäden mit Vitamin-E-Acetat zusammenhängen, das zu dieser Zeit gerne als Cannabis-Ersatz den Liquids der E-Zigaretten zugesetzt wurde. Das Problem mit dem Stoff: Wenn das Acetat erhitzt wird, entsteht hochgiftiges Keten.
Dieses Problem scheint sich derzeit zu wiederholen: Beflügelt von der teilweisen Legalisierung von Cannabis-Produkten in den USA haben sich nun auch vermehrt Stimulanzien verbreitet, die eine ähnliche Wirkung wie Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Wirkstoff der Hanfpflanze, besitzen. Zu diesen zählt unter anderem auch THC-Acetat, das aktuell noch nicht von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) reguliert und deshalb frei verkäuflich ist. Aufmerksamkeit erhält es unter anderem, weil es eine gut dreimal stärkere psychoaktive Wirkung als herkömmliches THC besitzt.
THC-, CBN-, und CBD-Acetate auf dem Prüfstand
Da das THC-Acetat eine chemisch sehr ähnliche Struktur wie Vitamin-E-Acetat besitzt, hat ein Team um Kaelas Munger von der Portland State University nun untersucht, ob beim Verdampfen der Ersatzprodukte ebenfalls der Giftstoff Keten entsteht. Ihr Augenmerk lag dabei vor allem auf dem sogenannten delta-8-THC-Acetat, welches aus einem Isomer des natürlich vorkommenden delta-9-THC synthetisiert wird. Zusätzlich dazu untersuchten die Wissenschaftler das Verhalten der Acetat-Formen von Cannabinol (CBN) und Cannabidiol (CBD), zwei ebenfalls häufig genutzten und weniger psychoaktiven Wirkstoffe der Haschisch-Pflanze.
Um möglichst verbrauchernah zu testen, nutzten die Forscher für ihre Tests eine handelsübliche E-Zigarette, an der die Messapparatur jeweils drei Sekunden lang zog. Zusätzlich zum Dampfen untersuchten sie eine Inhalationsmethode, die sich „dabbing“ nennt. Bei dieser verhältnismäßig neuartigen Technik wird die gewünschte Substanz auf eine etwa 400 Grad Celsius heiße Oberfläche getupft, dadurch schlagartig erhitzt und anschließend durch eine Art Glaspfeife inhaliert.
Grenzwerte für Keten deutlich überschritten
Das Ergebnis der Untersuchung ist eindeutig: Sowohl bei der E-Zigarette als auch beim Dabbing von THC-, CBN- und CBD-Acetat entsteht das giftige Keten. Den höchsten Wert zeigte das CBD-Acetat. Bei einem durchschnittlichen Lungenvolumen von fünf Litern inhaliert man bei einem tiefen Zug gut 78 Mikrogramm Keten. Der von US-Behörden festgelegte Grenzwert, ab dem akute Gefahr für das Leben oder die Gesundheit besteht, liegt bei 43 Mikrogramm des Giftes.
In einem Atemzug des vaporisierten THC-Acetats befinden sich den Analysen zufolge rund 22 Mikrogramm Keten. Laut Munger ist dieser Wert allerdings mit Vorsicht zu betrachten, da im Experiment immer nur ein einzelner Zug gemessen wurde, während typische Konsumenten mehrfach an der Glaspfeife ziehen. „Was uns am meisten Sorgen macht, ist eine längere Exposition – wir wissen darüber noch nichts“, sagt Munger. „Deshalb brauchen wir Arbeiten wie diese. Andernfalls wären die Leute der giftigen Substanz ausgesetzt, ohne dass wir Beweise dafür finden.“
Schwer nachzuweisen
Die Sorge der Wissenschaftlerin beruht unter anderem darauf, dass Keten ein sehr reaktiver Stoff ist, der bei Eintritt in den Körper schnell mit organischen Molekülen interagiert. Dadurch ist eine Vergiftung mit Keten im Nachhinein nur schwer nachzuweisen, was auch bei den Ereignissen im Jahr 2019 eine große Rolle spielte.
Durch ihre Arbeit hoffen die Forscher auf einen erhöhten Verbraucherschutz vor den potentiell gesundheitsschädlichen Substanzen. So könnten sie sich vorstellen, mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten, um diese und die Konsumenten besser über die Auswirkungen der Acetate aufzuklären. (Chemical Research in Toxicology, 2022; doi: 10.26434/chemrxiv-2022-v379b-v2)
Quelle: Portland State University