Medizin

Ebola: Die Angst wächst

Rätsel um Ansteckung der US-Patienten, EU-Gesundheitsminister beraten über Schutzmaßnahmen

Die größte Gefahr besteht beim Ausziehen der kontaminierten Schutzanzüge. Hier zwei Helfer beim Anlegen der Schutzkleidung. © CDC

Ebola rückt näher: Experten in den USA rätseln noch immer, wie sich die zwei Pflegekräfte in Dallas mit Ebola angesteckt haben. Gleichzeitig werden neue Sicherheitslücken im Umgang mit Ebola-Patienten und potenziell Infizierten bekannt. Währenddessen diskutieren heute in Brüssel die EU-Gesundheitsminister über weitere Ebola-Schutzmaßnahmen für Europa. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie ein Einschleppen der Krankheit vermieden werden kann.

{1l}

Es scheint wie verhext: Trotzt strengster Sicherheits-Maßnahmen und speziellen Schutzanzügen haben sich sowohl in Spanien als auch in den USA Krankenschwestern bei der Pflege von Ebola-Patienten mit der tödlichen Krankheit angesteckt. Die Tatsache, dass dies in vermeintlich bestens vorbereiteten Krankenhäusern geschah, weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit der auch von deutschen Gesundheitsbehörden geäußerten Beteuerungen, man sei „bestens gerüstet“.

Ebola-Infizierte flog quer durch die USA – trotz Fieber

Für Zweifel an solchen Aussagen sorgt auch die Nachricht, dass die zweite Krankenschwester, die sich in Dallas ansteckte, unmittelbar vor Ausbruch der Krankheit noch mit einer Linienmaschine von einem Besuch in Cleveland, Ohio zurück nach Dallas flog – zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits leichtes Fieber, aber noch keine ausgeprägten Ebola-Symptome, wie es heißt. Nach den offiziellen CDC-Richtlinien ist es Personen, die Ebola ausgesetzt waren, zwar verboten, Verkehrsmaschinen zu nutzen. Bisher war dies aber noch keine allgemeine Regelung auch für Pflegekräfte mit vermeintlich geschütztem Kontakt zu Ebola-Patienten.

Die US-Gesundheitsbehörden haben die 123 Mitpassagiere des Fluges gebeten, sich zu melden, um mögliche Fälle von Ansteckung überwachen zu können. Zwar sei das Risiko gering, da die Patientin noch in einem sehr frühen Stadium der Krankheit war, betonen sie. Auszuschließen ist eine Übertragung aber nicht. Der Leiter der Seuchenbehörde CDC, Tom Frieden, räumte in einer Pressekonferenz ein, man sei nicht aggressiv genug vorgegangen. Die CDC

Ansteckung trotz Schutzanzug – wie?

Wie aber konnte es zur Ansteckung der Pflegekräfte in Spanien und den USA kommen? Die Seuchenexpertin Trish Perl von der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore vermutet, dass dies beim Ausziehen der kontaminierten Schutzkleidung passiert sein könnte. „Zwar verhindern die Anzüge die Exposition gegenüber den Körperflüssigkeiten der Erkrankten, aber wenn sie nicht auf eine Weise ausgezogen werden, die jeden Kontakt mit der kontaminierten Außenseite vermeidet, dann besteht ein Risiko“, so Perl.

Hinzu kommt, dass die Anzüge nach Angaben von Mitarbeitern des Krankenhauses in Dallas am Hals nicht durchgängig geschlossen waren. Sie mussten von den Pflegekräften selbst mit medizinischem Klebeband notdürftig abgesichert werden – und dieses sei nicht undurchlässig und zudem schwer in sicherer Weise wieder zu entfernen, wie es in einer Stellungnahme der Pflegekräfte heißt. Sie beschreibt auch gefährliche Fehler schon bei Aufnahme und Erstversorgung des Ebola-Patienten. Demnach sollen die Blutproben ohne zusätzlichen Schutz durch das Rohrpostsystem des Krankenhauses zum Labor befördert worden sein. Der Patient wurde zudem trotz geäußertem Ebola-Verdacht mehrere Stunden lang nicht isoliert.

Fehler durch Überlastung

Hinzu kommt, dass die Krankenschwestern nicht ausschließlich zur Pflege des Ebola-Patienten abgestellt wurden, sondern parallel auch andere, „normale“ Patienten zu versorgen hatten. Gerade bei einer so hohen psychischen und körperlichen Belastung kann jedoch selbst geschultem Personal ein Fehler passieren, wie Perl erklärt: „Vor allem der Impuls, sich beim Ausziehen der kontaminierten Anzüge Schweiß abzuwischen, kann zu unabsichtlicher Übertragung des Virus auf die Schleimhäute der Nase, des Mundes oder der Augen führen.“

Um diese Gefahr zu minimieren, haben die „Ärzte ohne Grenzen“ bereits in einigen Behandlungszentren in Westafrika ein „Buddy-System“ eingeführt: Bei jedem Ausziehen und Dekontaminieren ist ein zweiter Helfer anwesend, der mit darauf achtet, dass alle Schritte korrekt und sicher durchgeführt werden. „Ein ritualisierter Prozess beim An- und Ausziehen der Anzüge sind enorm wichtig, um unnötige Infektionen und Todesfälle unter denjenigen zu vermeiden, die an der Frontlinie dieses Krieges gegen die Seuche stehen“, betonen Perl und ihre Kollegen.

Flugzeug auf dem Rollfeld des Flughafens Düsseldorf - einer der deutschen Flughäfen mit Kernkapazitäten im Ebola-Verdachtsfall. © Archangel12 / (CC BY 2.0)

Ebola-Einschleppung durch Flugverkehr?

Die Angst vor einer Verbreitung der Seuche über Flugpassagiere wächst. Bisher sollen zwar Kontrollen auf Fieber bei der Ausreise aus den betroffenen Ländern stattfinden, bei der Ankunft in Europa jedoch gibt es bisher keine Gesundheitskontrollen an den Flughäfen. Ob sich dies ändern soll, darüber beraten heute die EU-Gesundheitsminister in Brüssel. In Deutschland gelten die Flughäfen Frankfurt, München und Düsseldorf als die potenziell gefährlichsten Einfallstore für eine Pandemie, wie eine Simulation kürzlich zeigte.

In den USA haben mehrere Politiker bereits eine Sperre für Flugzeuge aus Westafrika gefordert, um eine Einschleppung von Ebola zu verhindern. Gegen eine solche Sperre argumentiert jedoch der Mediziner Eden Wells von der University of Michigan School of Public Health. „Wir mögen uns besser dabei fühlen, wenn wir versuchen, die Grenzen dafür zu schließen“, so Wells. „Aber das wäre meiner Ansicht nach ein falsches Gefühl der Sicherheit.“ Denn letztlich sei nicht zu verhindern, dass Menschen umherreisen und auch über Umwege ins Land gelangen.

Quarantäne zu kurz?

Bisher werden Personen unter Ebola-Verdacht für 21 Tage unter Quarantäne gestellt. Ist bis zum Ablauf dieser Frist die Krankheit nicht ausgebrochen, gelten sie als gesund. Doch diese Frist könnte zu kurz sein, warnt nun Charles Haas von der Drexel University in Philadelphia. Sie sei auf Basis der ersten Ebola-Epidemie in Zaire ermittelt worden. Bei dieser schwankte die Zeit bis zum Ausbruch der Krankheit jedoch nur sehr wenig.

Haas hat nun jedoch auch die Inkubationszeiten weiterer Ebola-Ausbrüche inklusive der aktuellen Epidemie überprüft – mit wenig erfreulichen Ergebnissen. Demnach liegt die Abweichung zur 21-Tages-Frist bei immerhin bis zu zwölf Prozent. Das bedeutet, dass es eine immerhin zwölfprozentige Chance gibt, dass ein aus der Quarantäne entlassener Patienten trotzdem mit Ebola infiziert ist. „Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass wir die gängigen Richtlinien überdenken müssen“, so Haas. „21 Tage könnten nicht ausreichen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen.“

(CDC, Science, newswise, 16.10.2014 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Schriftzeichen

Ältestes Alphabet der Welt entdeckt?

Erstes Porträt eines extragalaktischen Sterns

Baby-Säbelzahnkatze im Permafrost entdeckt

Auch erwachsene Schimpansen spielen noch miteinander

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Virus - Die Wiederkehr der Seuchen von Nathan Wolfe

Virolution - Die Macht der Viren in der Evolution von Frank Ryan (Autor), Andrea Kamphuis (Übersetzerin)

Wächst die Seuchengefahr? - von Stefan H. E. Kaufmann und Susan Schädlich

Der Kampf zwischen Mensch und Mikrobe - 2 CDs (Audio CD) von Stefan H. E. Kaufmann (Erzähler), Klaus Sander (Produzent)

Top-Clicks der Woche