Umfassender Schutz: Forschende haben einen neuartigen Breitband-Impfstoff gegen Coronaviren entwickelt, der sogar gegen noch kommende Virenarten schützen könnte. Er enthält Proteinstücke von acht verschiedenen Betacoronaviren und erwies sich im Test mit Mäusen und Affen als gut wirksam – auch gegen Coronaviren, deren Proteine nicht im Impfstoff enthalten sind. Der Grund: Das Kombi-Vakzin fördert die Bildung von Antikörpern, die vor allem auf artübergreifend unveränderliche Teile des viralen Proteins zielen.
Coronaviren sind sehr wandelbar und passen sich durch Mutationen schnell an neue Wirte und Umstände an – das demonstriert die aktuelle Corona-Pandemie: Im Laufe der Zeit hat das Coronavirus SARS-CoV-2 zahlreiche Varianten gebildet, die besser übertragbar sind und unsere Immunantwort in Teilen unterlaufen können. Der Blick ins Tierreich zeigt zudem, dass es noch unzählige weitere Coronaviren gibt, die künftig den Artsprung zum Menschen schaffen könnten – mit der Gefahr einer neue Pandemie.
Das bedeutet aber auch, dass die klassische Impfstoff-Entwicklung solchen Viren immer hinterherhängen wird. Kaum ist ein Vakzin gegen eine Variante gefunden, taucht schon die nächste auf.
Spike-Fragmente von verschiedenen Coronaviren
Genau an diesem Punkt setzt nun eine neue Art Impfstoff an: „Wir wollen einen Allround-Impfstoff entwickeln, der gegen alle SARS-ähnlichen Betacoronaviren schützt – egal welches Tier-Coronavirus als nächstes auf den Menschen überspringt und sich ausbreitet“, erklärt Pamela Bjorkman vom California Institute of Technology. „Gleichzeitig könnte diese Art von Vakzin gegen aktuelle und künftige Varianten von SARS-CoV-2 schützen, ohne dass wir es ständig anpassen müssen.“
Um einen solchen Breitband-Schutz zu erreichen, hat das Team um Bjorkman einen Impfstoff entwickelt, dessen zentraler Baustein – ein Nanopartikel – aus einem „klebrigen“ Trägerprotein besteht. Auf dessen Oberfläche werden dann Stücke des viralen Spike-Proteins montiert. Beim aktuellen Testvakzin „Mosaic-8“ sind es die Bindungsstellen von acht verschiedenen Betacoronaviren, darunter SARS-CoV2, dem Fledermausvirus RaTG13, einer bei Pangolinen nachgewiesenen Coronavirus-Form sowie fünf weiteren dem Pandemie-Erreger ähnlichen Fledermausviren.
Wenig veränderbare Angriffsziele
Die Idee dahinter: Wenn unser Immunsystem mit so vielen unterschiedlichen Virenproteinen in Kontakt kommt, dann sucht es sich Erkennungsmarker und Angriffsstellen, die bei allen gleich sind. Die Abwehr müsste demnach Antikörper vor allem gegen die Teile des viralen Proteins bilden, die sich von den verschiedenen Coronaviren nicht oder kaum unterscheiden – und die daher wahrscheinlich auch bei künftigen Varianten kaum verändert sein werden.
Tatsächlich ergaben Vorstudien zum Mosaic-8-Vakzin, dass das Immunsystem von Mäusen nach einer Impfung vermehrt breit wirksame Antikörper produziert. „Diese binden bevorzugt an konservierte Epitope der Bindungsstelle“, berichten die Forschenden.
Tests mit Mäusen und Makaken erfolgreich
Für ihre aktuelle Studie haben Bjorkman und ihr Team Mäuse und Makaken entweder mit dem Mosaik-8-Impfstoff, mit einem „leeren“ Nanopartikel oder aber einem Nanopartikel mit nur Spike-Protein von SARS-CoV-2 geimpft. Anschließend wurden die Tiere mit SARS-CoV-2 oder seinem Vorgänger SARS infiziert. Das Spannende daran: Von SARS war kein Proteinfragment im Impfstoff enthalten. Das Team wollte damit herausfinden, ob der Schutz breit genug ist, um selbst die nicht enthaltenen Coronaviren zu neutralisieren.
Das Ergebnis: „Die mit Mosaic-8 geimpften Tiere produzierten Antikörper, die buchstäblich jedes SARS-ähnliche Betacoronavirus erkannten, das wir testeten“, berichtet Erstautor Alexander Cohen vom Caltech. Keines der mit SARS-CoV-2 infizierten Tiere erkrankte. Noch wichtiger jedoch: Die Testtiere, die nur die Schmalspur-Vakzinvariante gegen SARS-CoV-2 erhalten hatten, waren nicht gegen SARS geschützt und starben.
Die mit Mosaic-8 geimpften Tiere hingegen blieben auch bei SARS symptomfrei, wie die Forschenden berichten. Der Breitband-Impfstoff war wie erhofft sogar gegen ein Coronavirus wirksam, das nicht im Vakzin enthalten war.
Phase-1-Studie am Menschen geplant
Nach Ansicht der Wissenschaftler belegt dies, dass ein Kombinations-Impfstoff gegen Coronaviren funktionieren kann. Ein Vakzin nach dem Modell von Mosaic-8 könnte damit nicht nur vor neuen Varianten bekannter Erreger wie SARS-CoV-2 schützen, sondern auch vor neu auf den Menschen überspringenden Coronaviren. „Einige dieser für das Vakzin genutzten Betacoronaviren könnten eng mit dem Stamm verwandt sein, aus dem der Verursacher eines neuen Seuchenausbruchs hervorgeht“, sag Bjorkman.
„Wir brauchen deshalb etwas, das gegen diese gesamte Gruppe von Viren schützt – und wir glauben, dass wir das jetzt gefunden haben“, konstatiert die Forscherin. Im nächsten Schritt wollen Bjorkman und ihr Team ihr Mosaic-8-Vakzin in einer klinischen Studie der Phase 1 am Menschen testen. Dabei wird es zunächst um die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffs gehen. „Die Tests an Affen waren extrem vielversprechend, daher freuen wir uns, diese nächste Phase der klinischen Studien zu unterstützen“, sagt Richard Hatchett, Leiter der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI).
Parallel dazu planen die Wissenschaftler weitere Tierversuche. Bei diesen soll unter anderem die Schutzwirkung des Mosaic-8-Vakzins auch bei schon mit gängigen Covid-19-Impfstoffen geimpften Tieren untersucht werden. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob das Immunsystem noch einmal umlernen kann: Kann es statt der relativ spezialisierten Antikörper dann auch die breiter wirksamen Antikörper produzieren? (Science, 2022; doi: 10.1126/science.abq0839)
Quelle: California Institute of Technology