Maske als Gefahrenanzeiger: Forscher haben eine Gesichtsmaske entwickelt, die mit Hilfe eines integrierten Biosensors SARS-CoV-2 in der Atemluft nachweisen kann. Die Sensor-Maske soll auch für Laien einfach anzuwenden sein und ähnlich zuverlässige Ergebnisse liefern wie ein PCR-Test. Zusätzlich präsentieren die Forscher tragbare Biosensoren auch für andere Viren, Bakterien und Gifte. Bis sie reif für die Alltagsanwendung sind, sind allerdings weitere Verbesserungen notwendig.
Als Goldstandard für den Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gelten PCR-Tests. Dazu wird eine Probe aus dem Nasen-Rachenraum des Patienten entnommen und das enthaltene Viruserbgut anschließend vervielfältigt. Der Prozess dauert mehrere Stunden und je nach Kapazität der Labore müssen die Getesteten oft mehr als einen Tag auf ihr Ergebnis warten. Eine Alternative bieten Antigen-Schnelltests, die bereits nach 15 bis 30 Minuten ein Ergebnis liefern, dafür aber weniger präzise sind.
Virusfänger und -sensor in einem
Ein Team um Peter Nguyen von der Harvard University in Boston hat nun einen neuartigen Biosensor entwickelt, der SARS-CoV-2 direkt in der Atemluft nachweisen kann. Die Sensoren beruhen auf einer Abwandlung der Genschere CRISPR/Cas9. Dafür bekommt das System als Andockschablone einen Teil der genetischen Bauanleitung für das virale Spike-Protein. Sie dient dazu, über die Luft eingetragene Viren-RNA einzufangen. Das Enzym Cas12a und spezielle Chemikalien vervielfältigen diese RNA-Sequenzen und aktivieren gleichzeitig einen Farbstoff, der dann das positive Testergebnis anzeigt.-
Nach diesem Prinzip haben Forscher im letzten Jahr schon einen Corona-Schnelltest entwickelt. Im Unterschied zu diesem funktioniert der neue Biosensor aber schon mit der Atemluft – und lässt sich daher in Masken integrieren. „Das Virus sammelt sich auf der Innenseite von Masken als Folge von Husten, Sprechen oder normaler Atmung“, erläutern die Forscher. „Die von uns entwickelte Gesichtsmaske enthält einen gefriergetrockneten CRISPR-Sensor für den tragbaren, nicht-invasiven Nachweis von SARS-CoV-2 bei Raumtemperatur.“
Ergebnis nach 90 Minuten
Erste Tests unter Laborbedingungen deuten darauf hin, dass der neuartige Biosensor ähnlich genau ist wie ein PCR-Test – und wesentlich schneller: „Von der Aktivierung des Gesichtsmasken-Sensors bis zur endgültigen Auslesung dauert es nur rund 1,5 Stunden“, so die Forscher. Zudem sei er besonders einfach zu bedienen: Nach einer Tragzeit von 30 Minuten muss der Träger der Maske lediglich durch Knopfdruck eine Flüssigkeit freisetzen, die den Sensor aktiviert. Enthält seine Atemluft Virus-RNA von SARS-CoV-2, zeigt die Maske dies nach einer weiteren Tragzeit von rund 90 Minuten farblich an.
„Nach unserer Kenntnis erreicht kein anderer SARS-CoV-2-Nukleinsäuretest eine hohe Sensitivität und Spezifität bei voller Funktionstüchtigkeit bei Umgebungstemperatur und ermöglicht die Integration in ein tragbares Format“, schreiben Nguyen und seine Kollegen.
Hürden auf dem Weg zum Alltagseinsatz
Angetrieben wird die Reaktion durch die warme Atemluft des Trägers. Roman Wölfel, Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, der nicht an der Studie beteiligt war, erklärt: „Die in der Publikation beschriebenen Nachweismethoden basieren durchweg auf enzymgetriebenen Reaktionen, die ein Temperaturoptimum von 37 bis 42 Grad Celsius haben. Als ,wearables‘ werden die Reaktionen durch Körperwärme getrieben. Sie laufen daher um einiges langsamer ab. Die Autoren machen daher auch Zeitangaben von ein bis zwei Stunden für Tests, die unter Laborbedingungen 30 bis 45 Minuten dauern.“
Bislang belegen die vorgestellten Ergebnisse aus seiner Sicht vor allem die grundlegende Machbarkeit. „Die verschiedenen Nachweismethoden sind teilweise sehr anspruchsvoll und heutzutage selbst unter optimalen Laborbedingungen fehleranfällig“, sagt Wölfel. Im Alltag kämen allerdings zahlreiche störende Faktoren hinzu, beispielsweise andere Mikroorganismen oder schleimige Substrate, die den Nachweis verzerren könnten.
Zudem ist die vorgestellte Maske aus seiner Sicht „in der Anwendung wenig praktikabel“. Insbesondere die Idee, dass der Träger während des Tests 90 Minuten lang eine nasse Maske tragen soll, hält er für alltagsfern. „Ich würde die ‚wearables‘ aber zunächst auf die Sammlung von kontaminiertem Material begrenzen und die eigentliche Nachweisreaktion unter standardisierten optimalen Reaktionsbedingungen im Labor oder durchaus auch im Feld laufen lassen“, schlägt er vor. „In Masken eingebaute, herausnehmbare Filterscheiben könnten im Labor oder Feld mit herkömmlichen Methoden auf SARS-CoV-2 – oder andere Erreger – untersucht werden.“
Auch für den Nachweis anderer Erreger und Gifte geeignet
Zusätzlich zu den SARS-CoV-2-Masken präsentieren Nguyen und seine Kollegen auch weitere Anwendungsbeispiele. Beispielsweise ließen sich Sensoren, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren, auch in Schutzkleidung integrieren und könnten Giftstoffe, Bakterien oder Viren aus der Umgebung nachweisen. Getestet haben die Forscher dies bereits für das Ebola-Virus, MRSA-Bakterien und das Insektizid Paraoxon.
Da die Nachweisreaktion jeweils erst startet, wenn der Sensor mit Wasser benetzt wird, können nur Erreger oder Giftstoffe in flüssigen Medien nachgewiesen werden, beispielsweise wenn kontaminierte Tröpfchen auf das Gewebe treffen. Allerdings: „Bei der vorgeschlagenen Anwendung zum Nachweis von Krankenhauskeimen auf Kitteln und anderen Kleidungsstücken ist es fraglich, ob eine Kontamination, zum Beispiel durch das Aushusten von Keimen eines Patienten, in ausreichender Flüssigkeitsmenge zielgenau auf den in den ‚wearables‘ verbauten Detektoren landen würde“, gibt Wölfel zu bedenken.
Can Dincer, Nachwuchsgruppenleiter für interaktive Werkstoffe und bioinspirierte Technologien an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war, stimmt zu: „Solche Systeme können derzeit noch nicht die klinischen Tests ersetzen.“ Was weitere Entwicklungen angeht ist er jedoch optimistisch: „Textilien integriert mit sensorischen Funktionen können in Zukunft eine sehr gute Alternative zu herkömmlichen Diagnostik-Methoden bieten“, meint er. (Nature Biotechnology, 2021, doi: 10.1038/s41587-021-00950-3)
Quelle: Nature Biotechnology, Science Media Centre