Genetik

Einsamkeit macht alt

Sozialer Stress führt bei Papageien – und vielleicht auch beim Menschen - zu altersbedingten Schäden am Erbgut

Einzeln gehaltene Graupapageien weisen kürzere Telomere auf als in Gruppen gehaltene. © Denise Aydinonat

Einsamkeit macht nicht nur unglücklich, sie macht auch alt – zumindest bei Graupapageien trifft das zu. Leben die sozialen Vögel ohne Artgenossen, schrumpfen die Enden ihrer Chromosomen schneller – ein Zeichen für stärkere Alterung. Das zeigt ein Experiment österreichischer Tiermediziner. Ihrer Ansicht nach könnte dieser Effekt der Einsamkeit auch beim Menschen auftreten, wie sie im im Online-Journal „PLOS ONE“ berichten.

Jedes Mal, wenn eine Zelle ihr Erbgut kopiert um sich zu teilen, werden die Endstücke der Chromosomen ein wenig kürzer. Diese sogenannten Telomere schrumpfen dadurch mit zunehmendem Alter eines Menschen, Papageien oder sonstigen Lebewesens. Sind sie zu kurz, können die Zellen sich nicht mehr teilen, der Organismus altert und stirbt schließlich. Telomere sind damit ein molekularer Marker für das Alter. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass Stress die Telomere schneller schrumpfen lässt. Ob und wie sehr dies auch für soziale Isolation gilt, war bislang jedoch noch nicht erforscht.

Soziale Vögel leiden in Einzelhaft

Zu diesem Zweck untersuchten Denise Aydinonat und ihre Kollegen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Telomeren von Graupapageien. Diese Vögel sind sehr soziale Tiere, die bekanntermaßen schwer leiden, wenn sie ohne Gesellschaft gehalten werden. DNA-Proben erhielten die Forscher von Routineuntersuchungen einer Tierklinik in Wien. Die Besitzer der Papageien gaben in Interviews Auskunft über die Haltungsbedingungen. Aydinonat verglich die Telomerlängen von Tieren in Isolation und solchen, die mit Artgenossen zusammenlebten.

Erwartungsgemäß waren die Telomere bei älteren Tieren viel kürzer als bei jüngeren. Aber auch Einsamkeit hatte deutliche Folgen: Allein lebende Vögel hatten zusätzlich deutlich verkürzte Telomere gegenüber Papageien, die mit einem Partner lebten.

Lässt sozialer Stress auch Menschen altern?

Dieses Ergebnis lässt sich nach Ansicht der Forscher wahrscheinlich auch auf den Menschen übertragen: „Untersuchungen beim Menschen haben gezeigt, dass übermäßig gestresste und sozial ausgegrenzte Personen über kürzere Telomere verfügen”, erklärt Dustin Penn von der Vetmeduni Wien. So weisen beispielsweise einsame, vernachlässigte Kinder aus Waisenhäusern später ebenfalls kürzere Telomere auf als ihre in sozial intaktem Umfeld aufgewachsenen Altergenossen.

Umgekehrt kann aber auch ein Zuviel an Kontakt stressen, wie Penn in einer Studie an Mäusen festgestellt hat: Überbevölkerung in ihrer Behausung führt bei den Tieren ebenfalls zu Stress, der die Telomere verkürzt. „Die neuen Erkenntnisse zeigen somit, dass beide Extreme der sozialen Umgebung einen Einfluss auf die Länge der Telomere haben“, fasst Penn zusammen. Der Einfluss der Telomerkürzung auf Gesundheit und Lebensdauer müsse nun weiter untersucht werden. In Zukunft könnte die Telomerlänge sogar als Marker dienen, an dem sich Stress und die Fähigkeit damit umzugehen ablesen lässt

(PLOS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0093839)

(Veterinärmedizinische Universität Wien, 07.04.2014 – AKR)

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