Hoffnung gegen den „Roten Wolf“: Erstmals hat eine Immuntherapie die schwere Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes beseitigt – eine Erkrankung, bei der fehlprogrammierte Abwehrzellen die eigene DNA angreifen. Das deutsche Forschungsteam hat T-Zellen von fünf Betroffenen gentechnisch so modifiziert, dass sie die fehlgeleiteten Abwehrzellen zerstörten. Als Folge verschwand die Autoimmunerkrankung schon nach einmaliger Infusion und auch acht Monate später sind die behandelten Testpersonen beschwerdefrei.
Bei einer Autoimmunerkrankung greift die Immunabwehr eines Menschen irrtümlich Gewebe, Zellen oder Moleküle des eigenen Körpers an und zerstören sie. Bei Rheuma sind dies beispielsweise Gelenke oder Weichteile, bei Multipler Sklerose die Myelinscheiden der Nerven. Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) bilden fehlprogrammierte B-Zellen Antikörper gegen das Erbgut und weitere Kernbestandteile gesunder Zellen. Als Folge können sich alle Organe und Organsysteme schwer entzünden und geschädigt werden. Unbehandelt kann dies sogar lebensbedrohlich werden.
Um die Autoimmunreaktion zu hemmen, müssen Lupus-Patienten meist ihr Leben lang hohe Dosen Kortison und andere schwere Immunsuppressiva einnehmen. Doch nicht bei allen schlägt diese Therapie an. Auch erste Antikörperpräparate gegen bestimmte Oberflächenproteine der fehlgeleiteten B-Zellen existieren schon, wirken aber auch nicht bei allen Betroffenen.
Umgerüstete „Killerzellen“ als Helfer
Jetzt gibt es neue Hoffnung gegen den systemischen Lupus erythematodes: Ein Team um Andreas Mackensen von der Universität Erlangen-Nürnberg hat eine Immuntherapie entwickelt, durch die die Autoimmunerkrankung näher an ihrer Wurzel bekämpft werden kann – an den fehlgeleiteten B-Zellen, die die aggressiven Autoantikörper produzieren. Für ihre Studie entnahmen die Forschenden fünf Patienten mit therapieresistenter SLE zunächst Blut und isolierten daraus die T-Zellen.
Diese auch als „Killerzellen“ fungierenden Abwehrzellen wurden dann gentechnisch mit einem zusätzlichen Rezeptor ausgestattet, durch den sie die fehlprogrammierten B-Zellen erkennen können. Eine solche Umrüstung von T-Zellen wird unter der Bezeichnung CAR-T-Therapie schon länger in der Krebsmedizin gegen Leukämien und Lymphome eingesetzt. „Die Abkürzung CAR steht für chimäre Antigenrezeptoren und bezeichnet einen künstlichen Rezeptor. Dieser erkennt spezielle Antigene auf der Oberfläche der Zielzellen und zerstört diese“, erklärt Mackensen.
Symptomfrei nach einer Infusion
Für die Behandlung des Lupus erythematodes bekamen fünf junge Patientinnen und Patienten mit schwerer SLE einmalig eine Infusion mit „aufgerüsteten“ T-Zellen. Diese trugen einen CAR-Rezeptor, der den Oberflächenmarker CD19 auf den fehlprogrammierten B-Zellen erkennt. Die T-Zellen sollen dadurch imstande sein, gezielt diese krankhaften B-Zellen anzugriefen und zu zerstören. Im Idealfall bildet der Körper dann gesunde, korrekt programmierte B-Zellen nach und beseitigt so die Autoimmunerkrankung.
Tatsächlich erwies sich die Behandlung als erfolgreich: Bei allen fünf Lupus-Patienten verschwanden die schädigenden Entzündungen und auch die restlichen Symptome der Autoimmunkrankheit verschwanden. Wenige Wochen nach der Infusion waren keine Antikörper gegen die körpereigene DNA mehr nachweisbar und auch andere krankhafte Abwehrreaktionen blieben aus, wie die Wissenschaftler berichten. Die fehlprogrammierten B-Zellen waren nahezu vollständig verschwunden.
Reset des Immunsystems
Die CAR-T-Therapie wirkte demnach wie eine Art „Reset“-Knopf: „Das Besondere dabei ist, dass eine einmalige Infusion von CAR-T-Zellen das Kartenhaus aus Entzündung und Autoimmunität zum Einsturz brachte, und dass die Patientinnen und Patienten alle Therapien einschließlich Kortison absetzen konnten“, sagt Mackensens Kollege Georg Schett. Auch die für Lupus typische Fatigue, unter der alle fünf Patienten zuvor stark gelitten hatten, war nach der Behandlung verschwunden,
„Angesichts der Tatsache, dass SLE bei diesen Patienten zuvor hochgradig resistent gegenüber verschiedenen immunhemmenden Therapien war, sprechen diese Ergebnisse dafür, dass die CAR-T-Zellen die grundlegenden Autoimmunprozesse von Lupus erythematodes aufheben können“, schreibt das Forschungsteam.
Lang anhaltende Wirkung
Positiv auch: Der Studie zufolge scheint die einmalige CAR-T-Therapie nachhaltig zu wirken: Auch acht Monate später blieben die Patientinnen und Patienten symptomfrei und musste keine weiteren immunhemmenden Medikamente mehr einnehmen, wie das Forschungsteam berichtet. Nach etwa 100 Tagen waren im Blut der Testpersonen zwar wieder B-Zellen nachweisbar, diese schienen aber frei von der falschen Programmierung auf Zellkernbestandteile zu sein.
„Wenn man das Immunsystem der behandelten Patienten untersucht, ist man erstaunt, dass die neu-aufgetretenen B Zellen naiv sind, ähnlich wie die im Körper eines Babys“, erklärt Koautor Gerhard Krönkevon der Universität Erlangen-Nürnberg. „Das zeigt, dass hier offensichtlich wirklich ein Reset-Knopf gedrückt wurde.“ Um eine Langzeitprognose für die Wirksamkeit der Therapie machen zu können ist es allerdings noch zu früh – dafür muss noch mehr Zeit vergehen.
Weitere Studien bereits geplant
Nach Ansicht des Forschungsteam sprechen die Ergebnisse dafür, dass CAR-T gegen den systemischen Lupus erythematodes und möglicherweise auch andere Autoimmunerkrankungen wirksam sein könnte. Sie planen bereits eine weitere klinische Studie für Anfang 2023, in der weitere Patienten mit Lupus, aber auch anderen Formen schwerer Autoimmunerkrankungen eine Therapie mit CAR-T-Zellen erhalten sollen.
Insgesamt positiv sieht aber auch der nicht an der Studie beteiligte Immunologe Marko Radic von der University of Tennessee die Ergebnisse: „Die erstaunliche Wirksamkeit in Verbindung mit den relativ milden Nebenwirkungen und dem Ausbleiben von Komplikationen während des Beobachtungszeitraums sprechen für die vielversprechende Wirkung der neuen Therapie. Dies übertrifft bei weitem die Wirksamkeit aller bestehenden alternativen Behandlungen, von denen viele bei den fünf SLE-Patienten, die an der aktuellen Studie teilnahmen, erfolglos blieben.“
Noch ist CAR-T teuer und hat Risiken
Allerdings betonen Mackensen und sein Team auch, dass es noch Einschränkungen gibt. So kann die CAR-T-Therapie zur vermehrten Ausschüttung von Entzündungsbotenstoffen führen, die bei CAR-T in der Krebstherapie teils schwere, nur im Krankenhaus behandelbare Nebenwirkungen verursacht hat. In der Lupus-Studie fielen diese Nebenwirkungen zwar erheblich schwächer aus, dennoch muss nun in weiteren Studien untersucht werden, ob dies die Regel ist.
Zudem ist die CAR-T-Therapie wegen der für jeden Patienten individuell durchgeführten Anpassung der T-Zellen sehr aufwendig und teuer. Daher dürfte die Zahl der Menschen, die in den Genuss dieser Therapie kommen, zunächst sehr begrenzt sein. Das könnte sich aber durch neue, automatisierte Produktionsmethoden für die T-Zellen und möglicherweise auch standardisierte, nicht mehr für jeden einzelnen Patienten angepasste Varianten ändern. (Nature Medicine, 2022; doi: 10.1038/s41591-022-02017-5)
Quelle: Nature, Science Media Center, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg