Medizin

Erste Transplantation eines ganzen Auges

US-Mediziner ersetzen bei schwer verletztem Patienten das halbe Gesicht samt Auge

Operation
Das Operationsteam bei der Arbeit: 21 Stunden dauerte die Transplantation von Auge und Gesicht. © Joe Carrotta / NYU Langone

Medizinische Weltpremiere: Zum ersten Mal haben Chirurgen einem Menschen ein komplettes Auge samt Teilen des Gesichts transplantiert. Bei der in New York durchgeführten 21-stündigen Operation erhielt ein 46-jähriger Mann das Auge, nachdem sein halbes Gesicht durch einen Starkstrom-Unfall zerstört worden war. Das eingepflanzte Auge ist erfolgreich eingewachsen, auch die Netzhaut ist durchblutet. Die Sehfähigkeit ist bisher allerdings nicht wiederhergestellt.

Wenn das Auge eines Menschen durch einen Unfall oder eine sonstige Verletzung komplett zerstört wird, gibt es bisher keine Möglichkeit der Heilung oder Wiederherstellung. Ein Glasauge kann den Verlust zwar rein kosmetisch kaschieren, aber die Sehfähigkeit kann nicht wieder hergestellt werden. Zwar ist es bereits gelungen, bei Menschen Teile des Gesichts zu rekonstruieren und sogar Gesichter zu verpflanzen. Die Transplantation eines kompletten Auges ist jedoch noch nie zuvor erfolgt.

Transplantierte Bereiche
Die hellen und roten Bereiche des Schädels wurden implantiert. ©NYU Langone

Starkstrom-Unfall zerstörte Gesicht

Bis jetzt: Ein Team der New York University Langone hat im Mai 2023 erstmals eine Augentransplantation bei einem Menschen durchgeführt, wie es nun berichtet. Die aufwendige Operation dauerte 21 Stunden und erforderte insgesamt 140 Chirurgen. Der Empfänger der Transplantation war ein 46-jähriger Mann, der im Juni 2021 von einem Starkstromkabel mit 7.200 Volte im Gesicht getroffen wurde. Als Folge erlitt Aaron James schwerste Verletzungen der linken Gesichtsseite, verlor sein Auge, seine Nase, Teile seines Schädelknochens und seines Schulter- und Armbereichs.

Bereits kurze Zeit später begann das Team der NYU unter Leitung von Eduardo Rodriguez, eine Gesichtstransplantation für den stark entstellten Patienten zu planen. Dabei kam die Frage auf, ob man ihm nicht auch das Auge des Spenders einsetzen sollte – eine noch nie zuvor bei einem Menschen durchgeführte Transplantation. „Aaron benötigte eine Gesichtstransplantation und würde daher ohnehin immunsuppressive Medikamente erhalten. Das zusätzliche Risiko durch eine Augentransplantation war daher relativ gering“, sagt Rodriguez.

Gesichtsstrukturen, Auge und Knochenstammzellen übertragen

Für die Operation übertrug das Chirurgenteam Teile des Gesichtsknochens rund um das Auge, die Nase und weitere Gesichtsteile, außerdem das gesamte Auge des Spenders. Die Blutgefäße des Auges und Nervenenden wurden mit den Adern und dem Sehnerv des Empfängers vernäht. Zusätzlich injizierte das Team dem Patienten Knochenmarks-Stammzellen des Spenders, um das Einheilen der Implantate und das Zusammenwachsen des Sehnervs zu unterstützen.

„Dies ist der erste Versuch, während einer Transplantation adulte Stammzellen in den Sehnerv eines Menschen zu applizieren“, erklärt Samer Al-Homsi von der NYU Langone. „Wir wählten dafür gezielt CD34-positive Stammzellen, die in Versuchen das Potenzial gezeigt haben, geschädigte Nervenzellen zu reparieren und neuroprotektive Eigenschaften zu besitzen.“ Die Operation gelang und schon nach 17 Tagen konnte der Patient in die ambulante Reha entlassen werden.

Aaron James
Der Patient Aaron James nach derTransplantation: Nicht unbedingt schön, aber wieder ein intaktes Gesicht samt Nase, Mund und Auge. © Mateo Salcedo/ NYU Langone

Gut eingeheilt und durchblutet

Die Mediziner stufen diese weltweit erste Augentransplantation als Erfolg ein: Der Augapfel sei gut eingewachsen und die Netzhaut werde mit Blut versorgt. „Was wir hier sehen, hätten wir zuvor niemals erwartet“, sagt Vaidehi Dedania von NYU Langone. „Der erste Schritt war es, einen intakten Augapfel zu bekommen, darauf kann nun noch vieles weiters folgen. Dies ist weltweit der erste Versuch dieser Art, daher lernen wir dabei selbst noch dazu.“

Ein Manko: Bisher hat das implantierte Auge noch keine funktionierende Verbindung zum Sehnerven aufgebaut. Dadurch können keine Signale von der Netzhaut ans Gehirn des Patienten gesendet werden – er ist auf diesem Auge weiterhin blind. Auch Augenbewegungen sind offenbar nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Die Reha-Phase hält aber noch an und die Forschenden führen weiterhin Tests durch, um Nervenheilung und andere Merkmale zu untersuchen.

Ein erster Schritt

„Die bloße Tatsache, dass wir die erste erfolgreiche Transplantation eines ganzen Auges geschafft haben, ist schon eine enorme Leistung, die lange als unmöglich galt“, sagt Rodriguez. Sowohl die Netzhaut als auch die Hornhaut seien intakt und funktionsfähig. Der Patient Aaron James hat durch die Operation nicht nur kosmetisch wieder ein Gesicht, auch Funktionen wie das Riechen, Schmecken und die Fähigkeit, feste Nahrung zu sich zu nehmen, wurde ihm durch die Gesichtstransplantation wiedergegeben. Er kann sogar wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.

„Ich bin dem Spender und seiner Familie unendlich dankbar, dass sie mir eine zweite Chance auf mein Leben gegeben haben“, sagt James. „Und ich bin Dr. Rodriguez und seinem Team dankbar, dass sie mein Leben verändert haben.“

Quelle: NYU Langone Health

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