Medizinischer Meilenstein: Ein neuer Atlas zeigt erstmals jede der rund 2,4 Millionen Zellen unserer Lunge – es ist die erste Kartierung eines ganzen Organs bis auf die Einzelzellebene hinunter. Der Lungenzellatlas enthüllt die zelluläre Vielfalt und individuellen Unterschiede in der gesunden menschlichen Lunge. Er liefert aber auch Einblick darin, welche krankhaften Veränderungen Rauchen, Lungenkrebs oder Infektionskrankheiten bei den Lungenzellen verursachen. Dies bietet wertvolle Anhaltspunkte für Forschung und Therapie, wie die Wissenschaftler in „Nature Medicine“ berichten.
Viele Funktionen unserer Organe, aber auch ihre Krankheiten und Fehlfunktionen haben ihren Ursprung auf der zellulären Ebene. Die Präsenz bestimmter Zellen, ihre Wechselwirkungen und ihre Veränderungen können daher viel darüber verraten, wie und warum unsere Gewebe und Organe funktionieren. Aber erst in jüngster Zeit haben neue molekularbiologische und genetische Methoden es ermöglicht, die dafür nötigen Einzelzellanalysen durchzuführen – unter anderem bei unseren Zähnen oder bei Organoiden der menschlichen Netzhaut.
2,4 Millionen Zellen in einem Organ
Jetzt ist der nächste Schritt gelungen: Ein internationales Team um Lisa Sikkema vom Helmholtz Zentrum München hat den ersten Einzelzellatlas für ein ganzes menschliches Organ erstellt. Dafür nutzten die Forschenden Daten der RNA-Einzelzellanalyse für mehr als 500.000 verschiedenen Lungenzelltypen von insgesamt 107 Personen. Mithilfe einer KI-gestützten Auswertemethode vereinheitlichten und kombinierten sie diese aus 49 Datensätzen stammenden Informationen zu einem Gesamtbild.
„Die Zelltyp-Annotation war das größte Problem bei der Erstellung des ‚Human Lung Cell Atlas‘“, erklärt Sikkema. Denn die verschiedenen Datensätze verwendeten teilweise unterschiedliche Namen für dieselben Zelltypen. In anderen Fällen wurde auch der gleiche Name für unterschiedliche Zellen verwendet. „Wir mussten daher als Team an einer Standardisierung der Daten für den Atlas arbeiten“, erklärt die Forscherin. „Der Atlas ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer einheitlichen Annotation der menschlichen Lunge.“