Portrait eines Killers: Forschern ist es erstmals gelungen, die Struktur eines krankmachenden Prionproteins fast bis aufs Atom genau abzubilden. Die Aufnahmen mittels Cryo-Elektronenmikroskopie enthüllten unter anderem, dass die Fibrillen dieser fehlgefalteten Proteine aus Stapeln flacher Untereinheiten aufgebaut sind. Diese „Faltblätter“ aus Aminosäureketten wiederum weisen art- und wahrscheinlich krankheitsspezifische Unterschiede auf, wie das Team berichtet.
Fehlgefaltete Prionproteine sind die Urheber tödlicher neurologischer Erkrankungen bei Mensch und Tier – von der Schafskrankheit Scrapie über den „Rinderwahnsinn“ BSE bis hin zur Creutzfeld-Jacob-Krankheit beim Menschen. Allen gemeinsam ist, dass die hochinfektiösen Prionen ihre Fehlfaltung rapide auf gesunde Proteine übertagen und so zu für Hirnzellen tödlichen Prion-Anreicherungen führen. Auch die Tau-Fibrillen bei Alzheimer und die für Parkinson typischen Alpha-Synuclein-Ablagerungen stehen im Verdacht, prionähnlich zu wirken. Ein Gegenmittel gegen Prionkrankheiten gibt es bisher nicht – sie enden unweigerlich tödlich.
Feinstruktur der Prionen bisher kaum bekannt
Das Problem: Wie ein Prion im Detail aufgebaut ist und wie es andere Proteine dazu bringt, diese Fehlfaltung zu übernehmen, ist bislang kaum geklärt. „Es gab keine Daten über die Faltung der Monomere innerhalb der infektiösen Prionproteine und auch keine Erkenntnisse dazu, wie sich die verschiedenen Prionen strukturell unterscheiden“, erklären Allison Kraus von der Case Western Reserve University und ihre Kollegen.
Doch jetzt ist Kraus und ihren Kollegen ein Durchbruch gelungen: Sie haben erstmals ein krankmachendes Prion fast bis auf die atomare Ebene hinunter abgebildet und seine Struktur kartiert. Dafür isolierten sie zunächst die Moleküle eines auf Hamster adaptierten Stamms des Scrapie-Prions, kühlten diese mit flüssigem Stickstoff abrupt ab und unterzogen sie dann einer Cryo-Elektronenmikroskopie.
Gestapelte „Faltblätter“
Die Aufnahmen von tausenden Prionen enthüllten: Die langgestreckten Fibrillen des Prions bestehen aus unzähligen gleichen, perfekt übereinander gestapelten Untereinheiten. Jedes dieser Monomere bildet eine „Sprosse“ des langgestreckten Proteinfaden. Die Monomere an den Enden der Fibrille dienen gleichzeitig als Schablone für die Anlagerung und Fehlfaltung weiterer Proteineinheiten.
Jedes einzelne Monomer des Prions besteht aus gewundenen Aminosäureketten, die alle in einer Ebene liegen und über Brückenbindungen fixiert sind. Dadurch entspricht die Sekundärstruktur dieser Aminosäureketten einem Beta-Faltblatt – einer flachen, ziehharmonikaartig gefalteten Scheibe. Darin unterschiedet sich das Prion deutlich von den korrekt gefalteten Ursprungsproteinen, die eine Helix bilden und als Monomere isoliert bleiben, wie das Team erklärt.
Unterschiede bei Anhängen und Enden
Die Strukturdetails des Prions lieferten auch erste Hinweise darauf, warum Prionenkrankheiten oft artspezifisch sind und es trotz der hohen Infektiosität dieser pathogenen Proteine nur in seltenen Fällen zu einer artübergreifenden Übertragung kommt. Denn der Vergleich mit einer mausspezifischen Variante des Prions ergab, dass sich die Struktur beider in wesentlichen Punkten unterscheidet.
„Der Fibrillen-Querschnitt zeigt klare Unterschiede an den Fibrillen-Enden, an denen die Weitergabe der Fehlfaltung passiert“, berichten Kraus und ihre Kollegen. „Zudem präsentieren diese Prionversionen potenziellen Liganden andere seitliche Oberflächen.“ Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten solche Unterschiede auch hinter den unterschiedlichen neurologischen Krankheitsbildern stecken, die von den verschiedenen Prionen verursacht werden.
„Die detaillierten Strukturen der Prionen liefern uns eine neue Basis, um diese bisher unheilbaren Krankheiten zu verstehen und anzugehen“, sagt Kraus. „Es wird nun einfacher, Hypothesen darüber zu entwickeln und testen, wie Prionen zu diesen hochinfektiösen und tödlichen Proteinstrukturen werden.“ (Molecular Cell, doi: 10.1016/j.molcel.2021.08.011)
Quelle: Case Western Reserve University