Biotechnologie-Durchbruch: Nach jahrelangen Fehlversuchen ist es erstmals gelungen, adulte Zellen von Elefanten in Stammzellen umzuwandeln. Weil diese undifferenzierten Zellen einen kompletten Organismus hervorbringen können, gelten sie als Voraussetzung für biotechnische Zuchtstrategien, aber auch für die „Wiedererweckung“ ausgestorbener Mammuts durch De-Extinction. Dabei könnten DNA-Reste von Mammutfossilien, kombiniert mit Elefanten-Stammzellen als Basis dienen, um Mammuts zu züchten.
„Jurassic Park“ hat es vorgemacht – wenn auch nur fiktiv: Mithilfe moderner gentechnischer Methoden könnte man ausgestorbene Arten wieder zum Leben erwecken – vom Dinosaurier über das Mammut bis zum Tasmanischen Tiger. Für eine solche De-Extinction bräuchte man einige gut konservierte Körperzellen samt ihrer DNA, beispielsweise aus einem im Permafrost erhaltenen Fossil. Diese Zellen könnte man in undifferenzierte, pluripotente Stammzellen zurückverwandeln und aus diesen dann ein ganzes Tier klonen – theoretisch.
Tatsächlich ist es Forschenden bei noch lebenden Tierarten und auch beim Menschen schon gelungen, solche induzierten Stammzellen aus Haut- oder Bindegewebszellen zu erzeugen. Auch geklonte Embryos wurden aus solchen Stammzellen schon gezüchtet.
Elefanten stellen sich quer
Doch bei einem Säugetier scheiterten diese Versuche bisher: dem Elefanten. „In der Vergangenheit hat es schon viele Versuche gegeben, induzierte Elefanten-Stammzellen zu erzeugen – ohne Erfolg. Elefanten sind eine sehr spezielle Spezies und wir haben gerade erst angefangen, ihre grundlegende Biologie zu entschlüsseln“, erklärt Seniorautorin Eriona Hysolli vom Biotech-Unternehmen Colossal Biosciences.
Die US-Firma bezeichnet sich selbst als „erstes De-Extinction-Unternehmen der Welt“ und plant, ausgestorbene Tierarten wie Mammut, Dodo und Tasmantiger wieder zum Leben zu erwecken. Damit dies jedoch beim Mammut klappt, muss man induzierte Stammzellen dieser Elefantenverwandten produzieren können. Deshalb haben Hysolli und ihr Team gemeinsam mit Forschenden mehrerer Universitäten dazu erneut einen Anlauf gestartet – mit Erfolg.
Der erste Schritt: ein chemischer Cocktail
„Wir haben erstmals induzierte pluripotente Stammzellen des Asiatischen Elefanten (Elephas maximus) erzeugt“, berichten Hysolli und ihre Kollegen. Möglich wurde dies erst, als die Forschenden zwei biotechnologische Methoden miteinander kombinierten. Im ersten Schritt nutzten sie das chemische Reprogrammieren. Dabei wurden die Ausgangszellen – Zellen aus der Gefäßwand eines adulten Elefanten – einem genau abgestimmten Cocktail verschiedener Wachstumsfaktoren, Botenstoffe und Nährlösungen ausgesetzt.
Das Ergebnis: Tatsächlich bewirkte diese chemische Manipulation in den Elefantenzellen einige wichtige Veränderungen des Zellstoffwechsels. Doch anders als bei anderen Säugetieren wie Mäusen oder Schweinen reichte dies nicht, um die Zellen in den undifferenzierten Zustand zurückzubringen. „Zwar wurden 90 Prozent der nötigen Transkriptom-Veränderungen durch den chemischen Cocktail erreicht, aber dies allein reicht nicht“, berichtet das Team.
Der zweite Schritt: eingeschleuste Gene
Deshalb folgte ein zweiter Schritt: Die Forschenden schleusten in die vorbehandelten Zellen bestimmte Gene ein, die normalerweise in Stammzellen aktiv sind und die Reprogrammierung fördern. „Erst nach dem Einbringen dieser Pluripotenz-Transgene beobachteten wir die Stammzell-typische Zellmorphologie und Wachstumsrate“, berichtet das Team.
Doch selbst diese Umwandlung erfolgte erst nach einer weiteren finalen Zutat: einem Transgen, das die Aktivität eines bestimmten Gens in der Elefantenzellen hemmt. Dieses TP53-Gen sorgt normalerweise dafür, dass die Zelle nicht übermäßig wächst und dann entartet. Während die meisten Säugetiere nur eine oder wenige Kopien dieses Kontrollgens besitzen, haben Elefanten und andere Rüsseltiere jedoch bis zu 19 Kopien davon in ihrem Genom. Genau dies macht die Reprogrammierung ihrer Zellen so schwierig, wie Hysolli erklärt.
Die ersten induzierten Elefanten-Stammzellen
Dann endlich war es soweit: In den Laboransätzen waren die ersten induzierten Elefanten-Stammzellen entstanden. „Dies ist ein bedeutender Schritt“, sagt Koautor Ben Lamm von Colossal Biosciences. Denn die Elefanten-Stammzellen ebnen nicht nur den Weg zur Wiedererweckung der Mammuts, sondern kommen auch der Züchtungsforschung und Reproduktionsmedizin zugute. „Es eröffnet die Chance, Keimzellen und andere Zelltypen dieser Tiere ohne chirurgische Eingriffe zu erhalten“, so Lamms Kollege George Church.
Wie erste Züchtungstests ergaben, sind die gezüchteten Elefanten-Stammzellen tatsächlich undifferenziert genug, um noch alle Gewebe und Zelltypen dieser Tiere zu erzeugen: „Unsere Zelllinien bilden innerhalb von fünf bis sieben Tagen Embryoide, die Zellen mit frühen Merkmalen aller drei Keimblätter enthalten“, berichten Hysolli und ihr Team. Demnach sind diese induzierten Elefanten-Stammzellen pluripotent.
Die nächsten Schritte
Als nächstes wollen die Forschenden daran arbeiten, die Produktion von induzierten Elefanten-Stammzellen weiter zu optimieren. „Wir freuen uns auch darauf, diese Zellen zu nutzen, um daraus erstmals Keimzellen im Labor zu erzeugen“, erklärt Erstautor Evan Appleton von Colossal Biosciences. Diese Herstellung von Eizellen und Spermien ist der nächste Schritt hin zu einer Neuzucht der eiszeitlichen Mammuts. Bei Nashörnern ist eine solche Keimzell-Gewinnung aus induzierten Stammzellen bereits gelungen.
Allerdings ist der Weg bis zu einem lebenden, nachgezüchteten Mammutbaby noch sehr weit. Denn damit dies gelingt, benötigt man Mammutzellen mit möglichst intaktem, vollständigem Erbgut. Alternativ muss man Mammutgenen in Elefantenzellen einschleusen. Dann müssen diesen Mammutzellen in Stammzellen umgewandelt und zum Embryo herangezüchtet werden. Dieser wird dann in eine Elefanten-Leihmutter eingepflanzt und muss dort erfolgreich heranwachsen. (BiorXiv Preprint, 2024; doi: 10.1101/2024.03.05.583606)
Quelle: Colossal