Exosomen sind winzig kleine Zellpartikel, die unter anderem von den weißen Blutkörperchen produziert werden. Sie spielen nicht nur bei der Steuerung des Immunsystems eine wichtige Rolle, sondern könnten in Zukunft auch bei der Behandlung von Rheumapatienten zum Einsatz kommen. Die neue Stoffklasse wurde eher zufällig entdeckt, scheint aber ersten Erfahrungen zufolge eine entzündungs- und schmerzhemmende Wirkung bei Autoimmunkrankheiten wie Rheuma zu haben.
Orthopäden und Molekularbiologen aus Düsseldorf haben beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie eine neue biologische Stoffklasse zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten, wie Rheumatoide Arthritis, vorgestellt. Hierbei handelt es sich um so genannte Exosomen, die bei der Steuerung des Immunsystems eine wichtige Rolle spielen. „Durch Exosomen lernt das Immunsystem, eigene Zellen als eigen und fremde Zellen als fremd zu erkennen“, sagte Prof. Dr. med. Peter Wehling, Leiter des Arbeitskreises Gentherapie und Molekulare Orthopädie, am Dienstag beim Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin. Bei vielen Immunkrankheiten ist diese Funktion gestört, was zur Folge hat, dass die Zellen sich selbst zerstören und der Körper erkrankt.
Exosomen – Klein, aber oho
„Exosomen sind winzig kleine Zellpartikel, die unter anderem von den weißen Blutkörperchen produziert werden“, erklärte der Molekularbiologe Dr. Julio Reinecke von der Düsseldorfer Arbeitsgruppe. Ihre Größe geben die Wissenschaftler mit 65-100 Nanometer an. – Exosomen sind also etwa 1000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Ihr klinisches Potenzial könne jedoch nicht groß genug eingeschätzt werden, weil ein neu entdeckter Mechanismus der Immunitätsregelung genutzt werde, so der Biologe. Deshalb haben Exosomen eine stark entzündungs- und schmerzhemmende Wirkung, was über verschiedenen Publikationen hinaus erste Erfahrungen in der Behandlung von Rheumapatienten belegen.
„Die Entdeckung der Exosomen war eher zufällig“, berichtete Reinecke beim Treffen des Arbeitskreises Gentherapie und Molekulare Orthopädie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Bei einer Gentherapiestudie der Düsseldorfer Forscher zusammen mit der Harvard-Universität stellte sich heraus, dass kleine Partikel über das Lymphsystem zwischen den entzündeten Gelenken hin- und herreisten und überraschende Wirkungen zeigten. Wurde in ein Gelenk injiziert, ging es dem Gelenk auf der anderen Körperseite ebenfalls besser. Dieses Phänomen passte nicht in das Verständnis über die Entstehung von Rheuma und anderen Immunerkrankungen.
Nanopartikel aus weißen Blutkörperchen
Bei weiteren ausführlichen Forschungen entdeckte die Gruppe die Exosomen und isolierte eine spezielle Form dieser Nanopartikel aus weißen Blutkörperchen. Tierversuche mit Mäusen belegten die hohe Sicherheit und Wirksamkeit der körpereigenen Partikel in der Behandlung von Rheuma.
Klinische Ergebnisse bei 66 Rheumapatienten positiv. Bei Gelenkrheuma, der chronischen Entzündung der Gelenke, liegt eine schwere Störung des Immunsystems vor: Die Immunzellen greifen die eigenen Gelenkzellen an und zerstören somit das Gelenk – insbesondere den Gelenkknorpel. Prof. Dr. med. Peter Wehling vom Zentrum für Molekulare Orthopädie (Düsseldorf) behandelte inzwischen 66, überwiegend austherapierte Rheumapatienten verschiedenen Alters mit Exosomen.
Es handelte sich um Patienten, bei denen mit klassischen Basistherapien (z.B. Kortison, Methotrexat) und Operationen kein zufrieden stellendes Ergebnis erreicht werden konnte.
Verbesserung des Gelenkschmerzes
Die Patienten erhielten eine einmalige Injektion der Exosomen in das rheumatische Gelenk. „Wir haben bei zwei Drittel der Patienten rasche und deutliche Besserungen beobachtet“, sagte Wehling, der die Patienten über längere Zeit beobachtet hatte. Die Linderung hielt durchschnittlich drei bis sechs Monate an. Es zeigten sich eine deutliche Verbesserung des Gelenkschmerzes, der Gelenkschwellung sowie ein Rückgang der Entzündungswerte (z.B. CRP) und eine Normalisierung der Blutsenkung. Traten erneut Beschwerden auf, konnte die Behandlung mit dem gleichen positiven Effekt wiederholt werden.
„In der klinischen Anwendung hat sich somit die Rheumatherapie mit Exosomen als machbar und sicher erwiesen. In bestimmten Fällen kann sie als sehr wirksame Therapie eingesetzt werden“, fasste Wehling die Ergebnisse zusammen. Insbesondere wenn die Basistherapie nicht ausreiche, könne die Exosomen-Therapie die Behandlungsmethoden ergänzen. Zukünftig könnten Exosomen auch zur Behandlung anderer Immunerkrankungen, wie Multiple Sklerose, Neurodermitis und Allergien, eingesetzt werden. Weitere Forschungen und klinische Studien zum besseren Verständnis der Exosomen und ihrer Funktion innerhalb des Immunsystems sind von der Düsseldorfer Gruppe geplant.
(idw – Zentrum für Molekulare Orthopädie, 05.10.2006 – AHE)