Doppelt schädlich: Feinstaub ist nicht nur schlecht für unsere Lunge, die Luftpartikel können auch die Gesundheit unseres Gehirns beeinträchtigen und zu Demenz führen. Aber warum? Wie Mediziner jetzt herausgefunden haben, führt Feinstaub zu lokalen Entzündungen im Gehirn und erhöht zusätzlich die Zahl bestimmter weißer Blutkörperchen. Letzteres löst eine systemische Entzündung im Körper aus, die sich ebenfalls auf die kognitiven Fähigkeiten auswirkt und neurodegenerative Erkrankungen fördert.
Luftverschmutzung wird oft als Gesundheitsgefahr für unsere Atemwege angesehen. Denn Feinstaub – ein komplexes Gemisch aus vielen Chemikalien, die als feine Partikel von maximal 2,5 Mikrometer Durchmesser in der Luft vorkommen (PM2,5) – ist klein genug, um beim Einatmen in die Lunge und von dort in den Blutkreislauf zu gelangen. Das kann unter anderem zu Gewebeschäden und Entzündungen in der Lunge führen.
Daneben spielt Feinstaub aber auch eine Rolle beim geistigen Verfall. Wer langfristig Luftverschmutzung ausgesetzt ist, hat nachweislich ein höheres Risiko, eine neurodegenerative Erkrankung wie Alzheimer oder Parkinson zu entwickeln. Denn schon eine geringe Feinstaub-Belastung beeinträchtigt das Denkvermögen. Das gilt auch für jüngere Erwachsene und Kinder, wie neuere Studien nahelegen.
Warum schadet Feinstaub dem Gehirn?
Aber warum ist das so? Ein Grund: Die winzigen Schadstoff-Partikel können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und lokale Entzündungen im Gehirn auslösen. Wie die Feinstaubpartikel darüber hinaus die kognitiven Funktionen in unterschiedlichen Altersklassen beeinflussen, ist jedoch nach wie vor wenig verstanden.
Ein Team um Benjamin Aretz von der Uniklinik Bonn ist dem nun mithilfe einer breiteren Gruppe an Probanden nachgegangen. Die Mediziner analysierten Daten von mehr als 66.000 Teilnehmern einer niederländischen Gesundheitsstudie. Dabei verglichen sie die Ergebnisse von Blutanalysen und kognitiven Tests, die bei den Testpersonen zwischen 2006 und 2015 durchgeführt wurden, mit Daten zur Luftqualität an ihrem Wohnort.
Zusammenhang mit Immunsystem nachgewiesen
Das Ergebnis: Menschen, die zu Hause mehr PM2,5-Partikeln ausgesetzt waren, wiesen eine längere kognitive Verarbeitungszeit (CPT) auf als Personen, die weniger Feinstaub eingeatmet hatten. Dieser Messwert gilt als Maß dafür, wie schnell das Gehirn auf Reize reagieren kann. Das bedeutet, dass die Testpersonen durch den Feinstaub geistig langsamer geworden waren.
Dieser Effekt korrelierte zudem mit einem anderen Messwert: der Zahl der Monozyten im Blut. Diese weißen Blutkörperchen sind Teil des Immunsystems. Menschen mit hoher Feinstaubbelastung und starkem geistigen Verfall wiesen mehr solcher Monozyten auf. Das ist ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem dieser Menschen gegen Entzündungen im Körper ankämpft.
„Wir vermuten, dass die Zahl der weißen Blutkörperchen als Reaktion auf Schadstoffe steigt“, erklärt Koautorin Gabriele Doblhammer von der Universität Rostock. Insbesondere bei Männern und Teilnehmern über 40 Jahren stellte das Team diesen Zusammenhang mit Monozyten fest. Diese Reaktion scheint demnach in der zweiten Lebenshälfte eine größere Rolle zu spielen als in der ersten.
Entzündungen gefährden geistige Gesundheit
Die Forschenden schließen daraus, dass die Luftverschmutzung zu ganzkörperlichen Entzündungen führt, in deren Folge auch die geistigen Fähigkeiten in Mitleidenschaft gezogen werden. „Systemische Entzündungen können als wichtiger Vermittler fungieren und die PM2,5-Exposition mit einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktion in Verbindung bringen“, sagt Aretz.
„Es konnte bereits gezeigt werden, dass Entzündungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen spielen. Daher kann die Entzündung, die wir als Reaktion auf Luftverschmutzung sehen, die Immunfunktionen im Gehirn stören und dadurch indirekt die kognitive Gesundheit beeinträchtigen“, ergänzt Doblhammer. Eine mögliche Folge dieser Hirnschäden könnte Alzheimer-Demenz sein.
Übeltäter noch nicht identifiziert
Die Studie zeigt damit zwei verschiedene Wege auf, wie das Gehirn unter Feinstaubeinfluss abbaut: Direkt über lokale Entzündungen und indirekt über von Monozyten vermittelte, ganzkörperliche Entzündungen. Diese Erkenntnisse sind angesichts der alternden Bevölkerung wichtig, um Feinstaub gezielt zu reduzieren und das von ihm ausgehende Gesundheitsrisiko zu senken.
Dafür fehlen jedoch noch weitere Daten: „Angesichts der starken Korrelation zwischen Luftverschmutzung und kognitiven Defiziten sind weitere Studien unerlässlich, um herauszufinden, welche Schadstoffe und zellulären Mechanismen diesen Effekt vermitteln“, sagt Seniorautor Michael Heneka von der Universität Luxemburg. (Alzheimer’s & Dementia, 2024; doi: 10.1002/alz.14320)
Quelle: Universität Luxemburg