Gefährliche Partikel: Verkehrsbedingter Feinstaub kann bis ins Gehirn gelangen und verursacht dort Schäden, die das Risiko für Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und weitere neurodegenerative Erkrankungen erhöhen. Das bestätigt nun eine Studie, die die Gehirne von 186 jungen Menschen aus Mexico City untersucht hat. Sogar im Gehirn eines Säuglings wiesen Forscher bereits schädliche Metallpartikel aus Feinstaub nach.
In vielen Städten der Welt ist Feinstaub ein großes Problem. Die winzigen Partikel, die beispielsweise im Straßenverkehr entstehen, gelangen durch Einatmen oder Verschlucken in den menschlichen Körper. Je kleiner sie sind, desto weiter können sie eindringen. Schon frühere Studien konnten nachweisen, dass sich Nanoteilchen im Herz und im Gehirn anreichern und dort zu Schäden führen. Zudem mehren sich die Hinweise, dass eine hohe Feinstaubbelastung die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, das Hirnvolumen schrumpfen lässt und Demenz begünstigt.
Auffälligkeiten im Hirnstamm
Für die aktuelle Studie untersuchte ein Team um Lilian Calderón-Garciduenas von der University of Montana die Gehirne von 186 Menschen aus Mexico City, die im Alter zwischen elf Monaten und 40 Jahren zum Beispiel bei Unfällen zu Tode gekommen waren. Besonderes Augenmerk legten die Forscher auf metallhaltige Nanopartikel im Hirnstamm sowie auf krankhafte Veränderungen, die Frühzeichen von neurodegenerativen Erkrankungen sind.
Das Ergebnis: Schon in den Gehirnproben junger Menschen – sogar bei einem elf Monate alten Säugling – fanden die Forscher fehlgefaltete Proteine, die an der Entstehung von Alzheimer beteiligt sind, sowie Marker für Parkinson und Erkrankungen der muskelsteuernden Neuronen. Das Vorhandensein dieser Auffälligkeiten war stets mit einer Anreicherung von eisen-, aluminium- und titanhaltigen Nanopartikeln assoziiert. Vergleichende Gehirnproben von Menschen aus Regionen mit geringerer Luftverschmutzung zeigten diese Auffälligkeiten nicht.
Schadstoffe aus Atemluft und Nahrung
Form und Zusammensetzung der Nanopartikel deuteten nach Angaben der Forscher stark darauf hin, dass diese nicht durch körpereigene Prozesse entstanden sind. Die eisen- und aluminiumhaltigen Teilchen im Hirnstamm der Untersuchten entsprachen stattdessen denen, die sich in Abgasen befinden. Sehr wahrscheinlich sind sie mit der Atemluft in den Körper gelangt.
Die titanreichen Nanoteilchen im Gehirn ähnelten zudem auffällig solchen, die früher schon in Nervenzellen in der Darmwand gefunden wurden. Daraus schließen die Forscher, dass diese Partikel mit der Nahrung verschluckt wurden und über das Nervensystem, das den Verdauungstrakt mit dem Gehirn verbindet, bis in den Hirnstamm gewandert sind.
„Luftschadstoffe signifikant für die Entwicklung neurologischer Schäden“
„Es ist wichtig, den Zusammenhang zwischen den Nanopartikeln, die man einatmet oder schluckt, und den Auswirkungen, die diese metallreichen Partikel im Gehirn haben, zu verstehen“, sagt Co-Autorin Barbara Maher von der Lancaster University. „Verschiedene Menschen werden unterschiedlich anfällig auf diese Belastung reagieren, aber unsere neuen Erkenntnisse zeigen, dass die Luftschadstoffe, denen man ausgesetzt ist, wirklich signifikant für die Entwicklung neurologischer Schäden sind.“
Angesichts der Tatsache, dass Luftverschmutzung in vielen Teilen der Welt ein großes Problem ist, warnen die Forscher vor einer Pandemie neurodegenerativer Erkrankungen. Gerade, weil die Menschen im Durchschnitt immer älter würden, steige die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Laufe ihres Lebens die schädlichen Auswirkungen der Nanopartikel in ihrem Gehirn zu spüren bekommen. „Vor diesem Hintergrund ist die Kontrolle von Quellen der Luftverschmutzung mit Nanopartikeln besonders wichtig und dringend“, so Maher. (Environmental Research, 2020; doi: 10.1016/j.envres.2020.110139)
Quelle: Lancaster University