Medizin

Fett einfach umwandeln statt weghungern?

Forscher weisen bei Mäusen erstmals nach, dass weiße Fettzellen in braune umgewandelt werden können

Bei Kälte entstehen "beige" Fettzellen mit vielen kleinen Lipidtröpfchen (links) © Christian Wolfrum / ETH Zürich

Vielleicht könnte in Zukunft ein ganz neuer Ansatz gegen Übergewicht helfen: Statt die Fettzellen wegzuhungern, wandeln wir sie einfach in Braunfett um – eine Sorte von Fettzellen, die überschüssige Energie sofort verbrennt statt sie in unansehnlichen Polstern zu speichern. Dass diese Umwandlung funktioniert, haben Schweizer Forscher jetzt erstmals bei Mäusen nachgewiesen. Dies eröffnet einen neuen Ansatz auch für Therapien gegen Fettleibigkeit beim Menschen, berichten sie im Fachmagazin „Nature Cell Biology“.

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Bei Säugetieren – und somit auch beim Menschen – gibt es zwei Arten von Fettzellen: Weiße Fettzellen dienen vor allem als Energiespeicher. Wenn dem Körper genügend Nahrung zur Verfügung steht, vermehren sie sich und speichern Energie in Form von Fetttropfen für „schlechte Zeiten“. Braune Fettzellen hingegen sind Heizkraftwerke und darauf spezialisiert, ihnen zur Verfügung stehende Energie zu verbrennen, ein Prozess, bei dem Körperwärme entsteht. Vor allem Neugeborene haben viele braune Fettzellen und regulieren damit ihre Körpertemperatur. Seit bekannt ist, dass auch Erwachsene solche Zellen besitzen, erforscht die Wissenschaft intensiv, wie diese entstehen.

Kälte fördert Braunfett

Das Wissen könnte, so die Hoffnung der Wissenschaftler, fettleibigen Menschen helfen, statt vieler weißer mehr braune Fettzellen zu bilden. Dadurch könnte der Körper Fett in Wärme umsetzen, wodurch übergewichtige Menschen abnehmen würden. Bekannt ist bisher, dass die braunen Fettzellen auch bei Erwachsenen im weißen Fettgewebe neu entstehen können. Dies geschieht als Anpassung an kalte Temperaturen, womit das Gewebe „beige“ wird. Bei Wärme sind im Gewebe dagegen deutlich weniger dieser braunen Fettzellen zu finden. Unklar blieb aber, ob die braunen Zellen ausschließlich aus speziellen Stammzellen gebildet werden, oder ob sich vielleicht auch weiße in braune Fettzellen umwandeln können.

Wissenschaftler der ETH Zürich haben nun erstmals die zweite Hypothese bei einem Organismus nachgewiesen. Dies gelang Christian Wolfrum und seinen Kollegen, indem sie bei Mäusen Fettzellen gentechnisch markierten. Die Forscher hielten die Tiere in einem Wechselklima: zunächst für eine Woche bei winterlichen Temperaturen (8°C), anschließend für mehrere Wochen bei Raumtemperatur. In der Kälte bildeten die Mäuse braune Fettzellen in ihrem weißen Fettgewebe – das Gewebe wurde beige. Anhand der genetischen Markierungen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sich dabei weiße Fettzellen in Abhängigkeit von der Temperatur in braune umwandelten und umgekehrt.

Neuer Ansatz gegen Fettleibigkeit

Die Forscher gehen davon aus, dass es sich bei den Menschen ähnlich verhält. „Um neue Therapiemöglichkeiten gegen Fettleibigkeit zu entwickeln, müssen wir Wege finden, weiße Fettzellen in braune umzuwandeln“, sagt Wolfrum. Viele Wissenschaftler hätten bisher nach Vorläuferzellen von braunen Fettzellen gesucht, was möglicherweise ein unzureichender Ansatz gewesen sei. Die Forsdcher möchten nun als nächstes nach den Stimuli suchen, die zur Umwandlung führen, und erforschen, ob und wie man diesen Prozess beeinflussen kann. Die Forschenden denken an Medikamente oder an aktive Komponenten in der Nahrung.

Sie möchten damit einen radikal anderen Therapieansatz begründen. „Bisherige Therapien gegen Fettleibigkeit zielten meistens darauf ab, die Kalorienzufuhr zu reduzieren, beispielsweise indem sie den Appetit zügeln oder dafür sorgen, dass Nährstoffe im Darm schlechter aufgenommen werden“, sagt Wolfrum. Von den medikamentösen Therapien, die bisher auf dem Markt seien, funktioniere keine wirklich gut. Der Ansatz, braune Fettzellen zu bilden und zu aktivieren, zielt hingegen nicht auf eine verringerte Energieaufnahme, sondern einen gesteigerten Energieverbrauch. (Nature Cell Biology, 2013, doi: 10.1038/ncb2740)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, 29.04.2013 – NPO)

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