Körperliche Effekte: Soziale Isolation schlägt nicht nur auf die Stimmung, sie wirkt sich auch auf den Körper aus. Wie eine Meta-Analyse nun zeigt, scheint ein Mangel an sozialen Kontakten mit vermehrten Entzündungsreaktionen einherzugehen. Auch gefühlte Einsamkeit wirkt sich auf das Entzündungsgeschehen im Organismus aus – allerdings anders als die tatsächliche Isoliertheit von anderen Menschen.
Wer von anderen Menschen isoliert lebt oder sich einsam fühlt, leidet nicht nur psychisch. Die gefühlte oder tatsächliche soziale Isolation kann auch handfeste körperliche Auswirkungen haben. Studien belegen, dass einsame Menschen schlechter schlafen, mehr Stress empfinden und Schmerzen und Krankheitssymptome als schlimmer wahrnehmen. Zudem schwächt die Einsamkeit das Immunsystem – als Folge werden Betroffene leichter krank und altern möglicherweise sogar vorzeitig.
„Einsamkeit und soziale Isolation erhöhen das Risiko für einen schlechteren Gesundheitszustand. Forscher vermuten, dass sie unter anderem die Entzündungsreaktionen des Körpers beeinflussen“, erklärt Kimberley Smith von der University of Surrey. Doch stimmt das auch?
Zusammenhang mit Entzündungsmarkern
Um dies herauszufinden, haben Smith und ihre Kollegen nun nach Antworten in der wissenschaftlichen Literatur gesucht. Insgesamt werteten sie für ihre Meta-Analyse 14 Studien aus, die sich mit den Folgen von Einsamkeit bei Jugendlichen und Erwachsenen ab einem Alter von 16 Jahren beschäftigt hatten. Zudem schlossen sie 16 weitere Untersuchungen ein, bei denen es um soziale Isolation ging – statt einer subjektiven Empfindung ist hier die objektive Abgeschiedenheit von anderen Menschen gemeint.
Die Auswertungen offenbarten: Tatsächlich scheint sich soziale Isolation messbar auf Vorgänge im Körper auszuwirken. So war dieser Zustand mit erhöhten Konzentrationen des sogenannten C-reaktiven Proteins verbunden. Diese Substanz unterstützt die körpereigene Immunabwehr bei der Bekämpfung von Erregern und Heilungsprozessen und gilt daher als Indikator für eine Entzündung im Organismus. Darüber hinaus zeigte sich ein Zusammenhang mit Fibrinogen, einem Proteinkomplex, der an der Bildung von Blutgerinnseln beteiligt ist.
Bei Männern besonders ausgeprägt
Wie die Wissenschaftler berichten, war die Assoziation zwischen sozialer Isoliertheit und körperlichen Entzündungszeichen bei Männern erstaunlicherweise deutlicher als bei Frauen. Die Hintergründe sind ihnen zufolge noch unklar. Allerdings ist aus früheren Studien bereits bekannt, dass Männer und Frauen unterschiedlich auf soziale Stressfaktoren reagieren.
Was aber ist mit dem Gefühl der Einsamkeit? Hier war die Verbindung zur Entzündung weniger offensichtlich, wie das Team feststellte. Allerdings wiesen zumindest einige der untersuchten Studien darauf hin, dass es einen Zusammenhang mit der Ausschüttung von Interleukin-6 gab – einem Cytokin, das mithilft, die Entzündungsreaktion des Organismus zu regulieren.
Gefühlte Einsamkeit wirkt anders
Nach Ansicht von Smith und ihren Kollegen bestätigt dies: Ein Mangel an sozialen Kontakten und empfundene Einsamkeit wirken sich beide auch körperlich aus. Dabei scheinen die Effekte jedoch nicht die gleichen zu sein. Während die tatsächliche Isolation von anderen Personen Entzündungsreaktionen direkt zu fördern scheint, könnte Einsamkeit anders wirken. Auf Basis früherer Erkenntnisse vermuten die Forscher, dass dieses Gefühl womöglich die Reaktion des Entzündungssystems auf Stress verändert.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass soziale Isolation und Einsamkeit mit systemischen Entzündungen zusammenhängen könnten“, schreibt das Team. „Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um den Einfluss dieser Zustände auf die Gesundheit zu verstehen“, ergänzt Mitautorin Christina Victor von der Brunel University London.
Nun seien weitere Studien nötig, um die beobachteten Zusammenhänge zu bestätigen und die zugrundeliegenden Mechanismen zu entschlüsseln. „Wie sich gezeigt hat, ist es dabei sehr wichtig, Einsamkeit und Isolation voneinander zu unterscheiden und nicht gemeinsam oder gar als Dasselbe zu betrachten“, schließt Victor. (Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 2020; doi: 10.1016/j.neubiorev.2020.02.002)
Quelle: University of Surrey