US-Forscher haben einen Querschnitts-Gelähmten erstmals wieder auf die Beine gebracht. Der Patient bewegt seine Beinmuskeln und kann bereits einige Schritte gehen – wenn auch nur mit Hilfe eines robotischen Exoskeletts. Möglich wurde dies durch die Kombination einer gezielten Neurostimulation seiner Nervenbahnen mit dem stützenden Exoskelett. In Zukunft könnten diese und ähnliche Kombinationsmethoden die Lebensqualität von Gelähmten stark verbessern, hoffen die Forscher.
Schon vor gut einem Jahr machten Reginald Edgerton von der University of California in Los Angeles und seine Kollegen von sich reden. Denn sie brachten vier Querschnittsgelähmte dazu, ihre Beine eigenständig wieder zu bewegen. Dies gelang durch die Kombination von elektrischer Stimulation des Rückenmarks kombiniert mit Bewegungstherapie. Solcherart unterstützt konnten die Patienten schon nach einer Woche ihre Beine bewegen – damals allerdings nur im Liegen.
Elektroden und ein Exoskelett
Inzwischen jedoch sind die Forscher einen Schritt weiter: Durch die Kombination von Neurostimulation und einem robotischen Exoskelett gelang es ihnen, einen gelähmten Mann wieder zum Laufen zu bringen. Der 39-jährige Patient Mark Pollock war im Jahr 2010 aus einem Fenster im zweiten Stock gestürzt und seitdem von der Taille ab gelähmt. Für den zuvor extrem fitten Extremsportler war dies ein besonders hartes Schicksal.
Um ihn wieder auf die Beine zu bringen, verfeinerten die Forscher zunächst ihr Stimulationsverfahren. Statt Elektroden direkt ans Rückenmark implantieren zu müssen, entwickelten sie eine Methode, bei der die reizenden Elektroden nur auf die Rückenhaut aufgesetzt werden. Über sie erhalten die vom Gehirn abgeschnittenen Beinnerven Impulse, die sie zur Bewegung anregen.
Eigenständige Muskelbewegungen
Um Pollock bei diesen Beinbewegungen zu stützen und aufrecht zu halten, bekam er ein robotisches Exoskelett. Dieses batteriegetriebene Gerüst führt synchron mit den Elektrodensignalen Laufbewegungen aus und unterstützt und führt so die Muskelbewegung der Beine. Über spezielle Sensoren ermittelten die Forscher, wie stark der Patient selbst über seinen Muskelbewegungen am Laufen beteiligt war und welchen Anteil der Roboter übernahm.
Wie sich zeigte, war Pollock schon nach wenigen Wochen intensiven Trainings fähig, sein linkes Knie selbstständig zu beugen und das Bein zu heben. Gestützt durch das Exoskelett stand und lief er zum ersten Mal seit seinem Unfall wieder aufrecht. „Das war ein sehr aufregender, emotionaler Moment für mich“, sagt Pollock. „Durch die Stimulation Schritte zu machen und zu fühlen, wie sich mein Puls erhöhte und dabei meine Beine unter mir zu spüren, war süchtig machend – ich wollte mehr.“
Training auch für den Kreislauf
Die neue Kombimethode könnte künftig nicht nur dazu beitragen, gelähmten Menschen dieses Hochgefühl wieder zurückzubringen. Es könnte auch besser als herkömmliche Krankengymnastik oder robotische Hilfsmittel dazu beitragen, ihren Kreislauf fit zu halten. „Wenn der Roboter die ganze Arbeit tut, wird der Gelähmte passiv und das Nervensystem fährt herunter“, erklärt Edgerton. Doch durch die gleichzeitige Neurostimulation sei das hier nicht der Fall.
„In den letzten Wochen der Tests erreichte mein Puls 138 Schläge pro Minute“, berichtet Pollock. „Das ist ein aerober Trainingsbereich, dem ich zuvor seit meiner Lähmung nicht einmal ansatzweise nahe gekommen bin.“ Das Exoskelett kombiniert mit der stimulierten Muskelbewegung könnte daher nach Ansicht der Forscher künftig die Gesundheit und Lebensqualität vieler Gelähmter verbessern.
Ein erster Anfang
Noch wird es Jahre dauern, bis dieser und ähnliche neue Ansätze für Patienten verfügbar sein werden – auch weil den Forschern zurzeit nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. „Wir könnten eine Menge mehr dafür tun, die Forschung und Technologie voranzubringen, wenn wir mehr Mittel hätten“, so Edgerton.
Er sieht in diesem ersten Test aber einen wichtigen Anfang. „Menschen, die schwer verletzt aber nicht komplett gelähmt sind, könnten von dieser Art von Interventionen sogar noch mehr profitieren und mehr Körperfunktionen zurückerhalten“, meint Edgerton. Die Forscher sind fest davon überzeugt, dass solche Technologien in der Zukunft Menschen mit schweren Rückenmarksverletzungen wertvolle Hilfe leisten könnten.
(University of California – Los Angeles, 02.09.2015 – NPO)