Fühlen wie mit einer echten Hand: Diesem Ziel für Menschen mit künstlichen Gliedmaßen ist ein europäisches Forscherteam deutlich näher gekommen. Sie haben eine Handprothese entwickelt, die nicht nur vom Patienten steuerbar ist, sondern beim Greifen auch Dinge ertastet. In der Fachzeitschrift „Science Translational Medicine“ stellen sie erste Erfolge vor.
Prothesenproblem:
fehlender Tastsinn
Prothesen erleichtern vielen Menschen nach einer Amputation das Leben. Die künstlichen Gliedmaßen helfen bei zahlreichen Vorgängen im Alltag, Beinprothesen lassen Patienten ohne Hilfe laufen, flexible und steuerbare Finger erlauben das Greifen oder zumindest Halten von Gegenständen. Dabei sind moderne Prothesen mittlerweile so weit entwickelt, dass sie anderen Menschen kaum auffallen. Für den Patienten haben sie jedoch noch einen großen Mangel: Sie haben keine Nerven und sind dadurch völlig gefühllos. Selbst die fortschrittlichsten künstlichen Hände, mit denen Patienten einen Fotoapparat bedienen oder Schnürsenkel binden können, geben keine Rückmeldung über das, was sie erfassen.
Diesen fehlenden Tastsinn wollen Wissenschaftler des internationalen Forschungsprojekts LifeHand2 nun durch Technik ersetzen. Dennis Aabo Sørensen aus Dänemark ist ein Mensch mit Unterarmamputation. Die Nervenbahnen, die normalerweise Impulse von der Hand zum Gehirn leiten, existieren jedoch noch in seinem Oberarm. In diese zwei Hauptnerven, den Ulnar- und Median-Nerv, setzten Ärzte unter Leitung von Eduardo Marcos Fernandez vom Universitätsklinikum in Rom je zwei hauchdünne Elektroden ein.
Intuitive Verbindung von Technik und biologischem System
Verbunden mit einer künstlichen Hand lassen diese Elektroden Sørensen nun die Dinge fühlen, die er greift. Durch dieses neue Gespür muss er nicht einmal mehr zuschauen, was er mit der vormals gefühllosen Hand tut: Auch mit verbundenen Augen konnte er Gegenstände wie einen Plastikbecher, eine Mandarine oder einen schweren Holzwürfel erfühlen und mit der richtigen Kraft präzise greifen. Dabei waren die Wissenschaftler überrascht von der Geschwindigkeit, mit der der Patient seine neue Hand zu steuern lernte. Die Verbindung von Technik und biologischem System funktionierte praktisch intuitiv.
Thomas Stieglitz vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg hat die eingesetzten Elektroden entwickelt. „Unsere Forschung hilft Amputierten, ihre Prothesen ganz natürlich zu bewegen“, so der Ingenieur. Da es sich um einen ersten Test handelt, mussten die Wissenschaftler allerdings die Elektroden aufgrund der europäischen Rahmenvorgabe für Medizinprodukte nach 30 Tagen wieder entfernen. Weitere Studien des LifeHand2-Projekts an Patienten in Italien, Dänemark und der Schweiz sind aber geplant.
(Science Translational Medicine, 2014; doi: 10.1126/scitranslmed.3006820)
(Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, 07.02.2014 – AKR)