Umwelt

Gefahr durch Mikroplastik im Trinkwasser?

WHO-Bericht gibt vorsichtige Entwarnung, fordert aber mehr Forschung

Trinkwasser
Mikroplastik ist überall - auch in unserem Trinkwasser. © pinkomelet/ iStock.com

Kontaminierter Durstlöscher: Mikroplastik im Trinkwasser scheint nach derzeitigem Kenntnisstand kein Gesundheitsrisiko darzustellen. Dies ist das Fazit eines aktuellen WHO-Berichts. Gleichzeitig betonen die Experten jedoch, wie lückenhaft die wissenschaftliche Datenlage zu diesem Thema noch ist. Sie fordern daher weitere Forschung – und zusätzliche Maßnahmen zur Wasseraufbereitung.

Mikroplastik ist längst ein allgegenwärtiges Umweltproblem: Die winzigen Kunststoffteile fliegen durch die Luft, reichern sich in Böden an und schwimmen in unseren Gewässern. Von dort gelangt das Plastik dann irgendwann in die Nahrungskette. So sind die Partikel etwa in Fischen, Honig und Salz, aber auch in Getränken wie Bier, Mineral- und Leitungswasser nachweisbar.

Datenlage ist rar

Erst vor kurzem haben Forscher berechnet, dass allein durch den Konsum von Tafelwasser jährlich bis zu 90.000 Plastikteilchen in unseren Körper gelangen könnten. Deutlich weniger weiß man bisher über die Kontamination des Trinkwassers: „Wissenschaftliche Daten zu Mikroplastik im Trinkwasser sind bisher rar und es gibt nur wenige voll verlässliche Studien“, erklärt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In diesen neun Studien kamen Forscher auf Mikroplastik-Gehalte zwischen 0 und 10.000 Partikeln pro Liter, am häufigsten vertreten waren dabei die Kunststoffe PET und Polypropylen.

Doch wie gefährlich ist das? Um mehr über die möglichen Gesundheitsrisiken durch Kunststoffpartikel im Trinkwasser herauszufinden, haben WHO-Experten nun die wenigen verfügbaren Informationen zu dem Thema ausgewertet und zusammengefasst. Dabei konzentrierten sie sich auf drei potenzielle Gefahren durch Mikroplastik: die Aufnahme der Partikel selbst, im Plastik enthaltene Chemikalien sowie mikrobielle Biofilme auf den Kunststoffteilchen.

Absorbiert oder ausgeschieden?

Das Ergebnis ihrer Analysen: Zwar ist aus Studien an Mikroplastik in Flüssen und Meerwasser bekannt, dass sich in den Biofilmen krankmachende Bakterien und Schadstoffe anreichern können. Im Trinkwasser scheinen die mit Mikroplastik assoziierten Chemikalien und Biofilme nach derzeitigem Kenntnisstand aufgrund der niedrigen Konzentrationen aber ein eher geringes Risiko für die menschliche Gesundheit darzustellen, so die WHO. Allerdings sei die Datenlage hier noch lückenhaft.

Zur Gefahr durch die Partikel selbst lässt sich den Forschern zufolge noch weniger sagen. Allerdings deuten Studien darauf hin, dass zumindest Plastikpartikel mit einer Größe von über 150 Mikrometern nicht vom Körper absorbiert, sondern ausgeschieden werden. Ob der Körper kleinere Teilchen wie Nanopartikel im Trinkwasser aufnimmt und welche Folgen das hat, dazu ist hingegen fast nichts bekannt.

Mehr Forschung nötig

Untersuchungen mit Ratten und Mäusen zeigen zwar, dass die Aufnahme solcher Partikel unter anderem Entzündungen der Leber auslösen kann. Doch wie die Wissenschaftler betonen, waren die Nager dabei sehr hohen Plastikkonzentrationen ausgesetzt, die im Trinkwasser wahrscheinlich nicht vorkommen. „Es gibt zumindest bis jetzt keine aussagekräftigen Informationen, die ein Risiko nahelegen“, heißt es in dem WHO-Bericht.

„Auf Basis der vorliegenden, allerdings noch lückenhaften Informationen scheint Mikroplastik im Trinkwasser derzeit kein Gesundheitsrisiko darzustellen“, resümiert Maria Neira, Direktorin der Abteilung für öffentliche Gesundheit, Umwelt und soziale Determinanten bei der WHO. „Doch wir müssen dringend mehr herausfinden. Denn Mikroplastik ist überall.“

Besserer Filtermethoden als Lösung

Die WHO-Experten rufen daher zur Intensivierung der Forschungsbemühungen auf – und fordern zusätzliche Maßnahmen zur Filterung des Abwassers. Denn solange negative Gesundheitseffekte durch Mikroplastik im Trinkwasser nicht sicher ausgeschlossen werden können, ist dies wahrscheinlich der effektivste Weg, um die Belastung der Bevölkerung zu minimieren.

So deuten die Analysen der Wissenschaftler daraufhin, dass Abwasser, das nach der Behandlung wieder in Gewässer und Grundwasser gelangt, eine wesentliche Quelle von Mikroplastik im Trinkwasser ist. Schon länger ist bekannt, dass beispielsweise Nanofasern aus Fleece-Kleidung, aber auch Mikroplastik aus Kosmetika auf diesem Weg in Gewässer gelangen. Durch verbesserte Filtrationsmethoden könnten dem Bericht zufolge jedoch mehr als 90 Prozent der größeren Kunststoffteilchen aus dem Wasser entfernt werden.

„Eine Frage des Menschenverstandes“

Diese Meinung teilt auch Dieter Fischer vom Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden. Doch eine Aufrüstung der Kläranlagen allein reiche nicht: „Das weitaus größere Problem in Deutschland ist, dass die Klärschlämme, die alle herausgefilterten Partikel enthalten, zum Teil wieder zur Düngung auf landwirtschaftliche Flächen verbracht werden und damit zurück in die Umwelt gelangen. Hier sollte der Gesetzgeber dringend handeln.“ Selbst in Ökodünger haben Forscher schon Mikroplastik nachgewiesen.

Noch besser wäre es natürlich, das Plastikproblem an der Wurzel zu packen und die zunehmende Umweltverschmutzung mit Mikroplastik von vorneherein zu verhindern. „Mikroplastik wird in der Zukunft zu einem immer größeren Problem werden, da die Mengen in der Umwelt steigen werden, wenn wir so weitermachen wie bisher“, kommentiert Martin Wagner von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim.

„Das bedeutet, dass Plastikhersteller, Handel, Politik und Gesellschaft bereits jetzt handeln müssen. Gemeinsam müssen wir verhindern, dass all die wertvollen Kunststoffe in die Umwelt gelangen. Das ist keine Frage der Gesundheit, sondern des gesunden Menschenverstandes.“ (WHO, 2019; Microplastics in drinking water)

Quelle: WHO

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