Neuronaler Turbo: Wenn wir Neues lernen, nutzt unser Gehirn winzige Lernpausen für eine Art Schnelldurchlauf – es rekapituliert das Gelernte mit 20-facher Geschwindigkeit. Das belegt eine Studie, bei der Forschende ihren Probanden mittels Magnetoenzephalografie beim Lernen ins Gehirn schauten. Überraschend auch: Obwohl es im Test um ein rein motorisches Lernen ging, waren beim Schnelldurchlauf auch der Hippocampus und das Stirnhirn stark beteiligt.
Egal, ob es um neue Bewegungsabläufe, Sinneseindrücke oder antrainiertes Wissen geht: Beim Lernen sind Pausen Trumpf. Unser Gehirn benötigt nach dem Lernen Zeit, um die neuen Informationen zu verarbeiten und das Gelernte zu festigen. Besonders wichtig für diese Gedächtnisbildung ist dabei der Schlaf, denn in dieser Ruhepause sortiert das Gehirn Eindrücke, speichert sie im Langzeitgedächtnis ab und bereitet unsere Synapsen auf neue Lernerfahrungen vor. Aber auch kurze Pausen zwischendurch können den Lernerfolg signifikant erhöhen.
Tippen für die Wissenschaft
Warum das so ist und was in den Lernpausen in unserem Gehirn passiert, haben nun Ethan Buch und seine Kollegen vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke in den USA untersucht. In ihrem Experiment sollten Probanden üben, die Ziffernfolge 41324 auf der Tastatur so schnell und akkurat wie möglich mit einer Hand zu tippen. Auf jede der 36 zehnsekündigen Übungsphasen folgte dabei eine ebenso lange Pause.
Die Vorgänge im Gehirn ihrer Testpersonen zeichneten die Forschenden mithilfe der Magnetoenzephalografie (MEG) auf. Sie registriert die magnetischen Felder, die durch die Hirnaktivität entstehen. Durch Abgleich der Muster lässt sich relativ gut nachvollziehen, welche neuronalen Prozesse gerade ablaufen.
Mentale Wiederholung in den Lernpausen
Die Auswertungen zeigten: Während der Lernpausen war das Gehirn der Probanden sogar noch aktiver als in den aktiven Übungsphasen. Das Muster der Hirnaktivität enthüllte, dass das Denkorgan offenbar das gerade Gelernte rekapitulierte. „In allen Ruhepausen war ein neuronales Wiederholen der kompletten Übungssequenz zu erkennen“, berichten Buch und seine Kollegen. „Das ist die erste Demonstration der Rekapitulation einer frisch gelernten Fertigkeit bei einem Menschen im wachen Ruhezustand.“
Diese neuronale Rekapitulation des Gelernten war jeweils zu Beginn des Übens am intensivsten – und damit in der Phase, in der die Testpersonen üblicherweise die größten Fortschritte zeigen. Je häufiger das Gehirn der Probanden die Übungssequenz in den Lernpausen wiederholte, desto schneller und besser lernten auch die Finger die richtige Tippabfolge. „Unsere Studie ist damit die erste, die zeigt, dass sich an der Rekapitulation im wachen Ruhezustand ablesen lässt, wie schnell neue Fertigkeiten gelernt werden“, sagt Koautor Leonardo Cohen.
20-fach schneller als beim echten Tippen
Überraschend jedoch: Das Gehirn vollzog die Fingerbewegungen in den Pausen nicht im normalen Tempo nach, sondern in einer Art Schnelldurchlauf. Während die Probanden für das Tippen der Zahlenfolge gut eine Sekunde benötigten, dauerte die Rekapitulation dieser Bewegungen nur rund 50 Millisekunden. „Die mentale Wiederholung lief damit rund 20-fach schneller ab“, berichten Buch und seine Kollegen.
Anders als erwartet liefen diese mentalen Schnelldurchläufe zudem nicht in den gleichen Hirnregionen ab wie das Üben selbst. Während die Fingerbewegungen primär von den motorischen Schaltkreisen der Großhirnrinde gesteuert wurden, waren bei der Rekapitulation zusätzlich zwei weitere Areale noch aktiver. Zum einen der Hippocampus, der als Gedächtniszentrum gilt, zum anderen der entorhinale Cortex im Schläfenlappen – die Verbindungsstelle von Hippocampus und Großhirnrinde.
Der Hippocampus mischt mit
„Die starke Beteiligung von Hippocampus und entorhinalem Cortex beim Lernen einer motorischen Aufgabe war überraschend“, sagt Buch. „Denn bisher nahm man an, dass der Hippocampus an dieser Art des prozeduralen Gedächtnisses nicht beteiligt ist.“ Das Team vermutet, dass diese übergeordneten Schaltkreise abstraktere Informationen über die Übungssequenz abspeichern, während die Bewegungsabfolge selbst im sensorimotorischen Cortex fixiert wird.
Ob das tatsächlich so ist, wollen Buch und seine Kollegen nun in weiteren Studien überprüfen. Außerdem wollen sie herausfinden, ob die schnelle Rekapitulation auch bei anderen Formen des Lernens stattfindet. (Cell Reports, 2021; doi: 10.1016/j.celrep.2021.109193)
Quelle: Cell Press