Gefährliche Fremdkörper: Wenn Mikroplastik ins Gehirn gelangt, könnte dies die Durchblutung und Hirnfunktion stören, wie nun eine Studie mit Mäusen nahelegt. Bei diesen nahmen Immunzellen des Gehirns die Plastikpartikel auf und verursachten anschließend Mikrothrombosen in den Hirngefäßen. Dies führte bei den Tieren zu messbaren neurologischen Schäden und Verhaltensänderungen. Inwieweit diese Ergebnisse jedoch auf den Menschen übertragbar sind, ist ungeklärt.
Mikroplastik ist in unserer Umwelt allgegenwärtig. Über das Trinkwasser, unsere Nahrung und sogar über die Atemluft gelangen die winzigen Plastikpartikel in unseren Körper. Dort reichern sie sich in verschiedenen Geweben an, etwa in Lunge, Leber, Milz und Nieren. Für einige Arten von Mikroplastik wurde sogar schon nachgewiesen, dass es die Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann und so ins Gehirn gelangt. Bei Mäusen wurden in diesem Zusammenhang schon Frühzeichen von Alzheimer und Depressionen beobachtet.
Fluoreszierendes Mikroplastik im Gehirn
Doch auf welche Weise wirkt sich Mikroplastik im Gehirn aus? Um diese Frage zu klären, hat ein Team um Haipeng Huang von der Chinesischen Forschungsakademie für Umweltwissenschaften in Peking Mäusen hohe Mengen an Mikroplastik verabreicht – entweder mit dem Trinkwasser oder per Injektion. Die Konzentrationen lagen bei oraler Aufnahme bei 0,2 Milligramm pro Milliliter, im Blut bei fünf bis 50 Mikrogramm pro Milliliter Blut.
Um den Weg der Partikel im Körper nachzuverfolgen, markierten die Forschenden das Mikroplastik mit einem Fluoreszenzfarbstoff. Anschließend betrachteten sie die Blutgefäße der lebenden Mäuse unter dem Mikroskop. Und tatsächlich: Wenige Stunden, nachdem die Mäuse das Mikroplastik mit dem Trinkwasser aufgenommen oder injiziert bekommen hatten, begann es in den Blutgefäßen des Gehirns verräterisch zu leuchten – das fluoreszierende Mikroplastik hatte die Blut-Hirn-Schranke überwunden und das Gehirn erreicht.
Fresszellen nehmen Plastikpartikel auf
Überraschend jedoch: Das Mikroplastik zirkulierte nicht frei im Blutstrom der Hirngefäße, sondern wurde von Fresszellen des Immunsystems aufgenommen, wie das Forschungsteam feststellte. Diese Neutrophilen und Makrophagen nehmen üblicherweise Fremdkörper wie Krankheitserreger auf, um sie zu zerstören und den Körper auf diese Weise zu schützen. Im Falle des Mikroplastiks könnte dieser Mechanismus allerdings verhängnisvoll sein.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Immunzellen, die Mikroplastik aufgenommen haben, zu Verstopfungen der Kapillaren führen“, berichten Huang und sein Team. Denn während die Makrophagen üblicherweise die von ihnen aufgenommenen Fremdkörper zerstören, sind sie bei Mikroplastik dazu nicht in der Lage. Stattdessen werden die Zellen durch die Plastikpartikel unflexibler und können sich nicht mehr durch feine Blutgefäße zwängen. Einige dieser plastikbedingten Verstopfungen blieben mehr als eine Woche lang bestehen.
Auswirkungen auf Gedächtnis und Verhalten
Doch wie wirkt sich das auf das Verhalten der Mäuse aus? In verschiedenen Experimenten beobachteten Huang und sein Team, dass die mit Mikroplastik belasteten Mäuse schlechtere Leistungen in Gedächtnistests aufwiesen und zudem motorische Störungen zeigten. Auch Symptome, die als Anzeichen für Depressionen gelten, stellten die Forschenden fest.
Die gravierendsten Verstopfungen und daraus resultierenden Auswirkungen beobachteten die Forschenden, wenn sie den Mäusen Konzentrationen von sechs bis zwölf Mikrogramm Mikroplastik pro Milliliter Blut injizierten. Diese Konzentration sei auch eine realistische Belastung bei Menschen, schreibt das Team. Die Mikroplastikkonzentration im Trinkwasser der Mäuse entspräche beim Menschen einer Dosis von rund fünf Gramm pro Woche.
Wie übertragbar ist dies auf den Menschen?
Bedeutet dies, dass auch wir Menschen Blutgerinnsel oder sogar Mikro-Schlaganfälle befürchten müssen? „Akut würde ich für einen Menschen aufgrund dieser Studie keine Bedrohung sehen, da die applizierten Dosen sehr hoch sind und direkt ins Blut appliziert wurden“, kommentiert die Pathologin Verena Kopatz von der Medizinischen Universität Wien. Die untersuchten Konzentrationen waren zudem deutlich höher als die meisten Studien beim Menschen gefunden haben.
Hinzu kommt: Während bei den Mäusen Schäden vor allem durch größere, direkt ins Blut injizierte Plastikpartikel entstanden, nehmen wir Menschen das Mikroplastik über Trinken und Nahrung auf. Dabei gelingt es vor allem kleineren Partikeln, die Darmbarriere zu durchdringen. Die Blutgefäße im Gehirn von Mäusen sind zudem deutlich feiner als bei uns Menschen – entsprechend schneller verstopfen sie.
Weitere Forschungen nötig
Nach Ansicht von Karsten Grote vom Universitätsklinikum Gießen ist der grundsätzliche Mechanismus zwar auch beim Menschen denkbar: „Die Studie zeigt einen plausiblen Zusammenhang zwischen der Gabe von Mikroplastik, deren Aufnahme durch Immunzellen und einer verschlechterten Hirndurchblutung“, so der Gefäßmediziner. Allerdings seien die Bedingungen beim Menschen andere.
„Ob es daher beim Menschen zu vergleichbaren Effekten hinsichtlich der Hirndurchblutung und des Verhaltens kommt, lässt sich nur schwer abschätzen“, so Grote. Einig sind sich Studienautoren und Experten darin, dass weitere Forschungen nötig sind. (Science Advances, 2025, doi: 10.1126/sciadv.adr8243)
Quelle: Science Advances, Science Media Center