Wer wissen will, welche Funktion ein Gen hat, muss es ausschalten. Bonner Forscher haben ein neues Verfahren zur Herstellung von „Genscheren“ entwickelt. Die TALENs funktionierten dabei nach einem einfachen Baukastenprinzip, was die Automatisierung der Synthese ermögliche, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Biotechnology“. Zuvor sei das Ausschalten von Genen stets ein langwieriger und komplexer Prozess gewesen. Die von Bakterien abgeschaute neue Technik soll dies nun verkürzen und die Genomforschung so einen Schritt voranbringen, hoffen die Mediziner.
Rund drei Milliarden Zeichen codieren das Erbgut des Menschen. Doch wo verbergen sich in dieser gigantischen Sequenz wichtige Gene – und welche Funktion haben sie? Dies finden Wissenschaftler heraus, indem sie bestimmte Gene abschalten. Das Verfahren nennt sich Gen-Knockout und ermöglicht es den Wissenschaftlern, anhand der Folgen des gezielten Abschaltens zu beobachten, für was der jeweilige Erbfaktor verantwortlich ist. „Mit diesen Gen-Knockouts kann man Rückschlüsse auf die Funktion und Arbeitsweise des jeweiligen Gens ziehen“, erläutert Veit Hornung vom Universitätsklinikums Bonn. Allerdings seien die in Tiermodellen erzieltem Ergebnisse nicht immer eins zu eins auf den Menschen übertragbar, erklärt der Mediziner. Eine Methode für den Gen-Knockout im Menschen gibt es nicht. Denn die Gene werden im lebenden Organismus abgeschaltet, was sich naturgemäß schwer im Menschen realisieren ließe. Doch auch bei Mäusen kann das Erzeugen des gewünschten Knockouts in den Organismen Monate, bisweilen sogar mehrere Jahre, dauern.
Von Bakterien abgeguckt
Hornung und seine Mitarbeiter haben nun ein neues Verfahren entwickelt, welches die Gen-Knockouts erleichtern soll: „TALENs“ (Transcription activator-like effector nucleases). Das Vorbild für diese als Genscheren funktionierenden Proteine kommt aus der Natur: Denn die Grundstruktur der TALE-Proteine ist von Bakterien abgeleitet, die Fäulniserkrankungen an Pflanzen auslösen. Die Mikroben schmuggeln TALE-Proteine in die Pflanzenzellen ein, um dort spezifische Erbgutabschnitte zu ihrem Vorteil zu regulieren.
Diesen Trick haben sich die Forscher zunutze gemacht: „Es handelt sich bei den TALENs um synthetisch hergestellte Scheren, die in den Zellkern eingeschleust, an bestimmte Stellen der Erbsubstanz binden und dort Löcher hineinschneiden“, berichten die Erstautoren der Studie, Jonathan Schmid-Burgk und Tobias Schmidt. Die Zelle repariert daraufhin den Erbgutstrang an dieser Stelle meist fehlerhaft, wodurch das Gen seine Funktion verliert. „Endlich liegt mit den TALENs eine sehr einfache Möglichkeit vor auch in Zellkulturen des Menschen bestimmte Gene auszuschalten“, sagt Hornung. Denn die Technik ermöglicht es, die spezifischen Genscheren in die in Kultur gehaltenen menschlichen Zellen einzuführen. Das Kultivieren von Zellen ist dabei schon seit Jahrzehnten ein gängiges Verfahren. Aus einem lebenden Organismus werden dazu Zellen isoliert und in einem meist flüssigen Nährmedium am Leben gehalten. Auf diese Weise lassen sich die Einflüsse unterschiedlichster Substanzen direkt an menschlichen Zellen ablesen.
Gentechnik aus dem Baukasten
Um bewerkstelligen zu können, dass nur die gewünschten Gene ausgenockt werden, brauchen die Forscher jedoch für jeden Erbgutabschnitt eine eigene Schere. Die TALEN-Technologie ermöglicht dies durch einen ganzen Baukasten verschiedener Einheiten, die, auf das jeweilige Gen maßgeschneidert, zusammengebaut werden können. Zuvor war dies ein langwieriger und nicht automatisierbarer Prozess. Doch mit dem neuen Verfahren soll es nach Ansicht der Bonner Forscher möglich sein, Genscheren in hoher Genauigkeit und Menge herzustellen. Dies funktioniere ähnlich wie eine Schreibmaschine, die aus den einzelnen Buchstaben ganze Texte zusammenfügt: Ausgehend von der Zeichenabfolge des Gens, das ausgeschaltet werden soll, baut ein Roboter aus verschiedenen Bausteinen die gewünschte Schere zusammen. „Die Enden der einzelnen Bausteine kleben dabei automatisch aneinander“, berichtet Hornung. „Man müsse sie nicht mehr, wie vorher, mit Enzymen aufwendig verbinden. Hierdurch werde die Genomforschung in den nächsten Jahren einen großen Schub erfahren, ist der Biologe überzeugt. (doi: 10.1038/nbt.2460)
(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 18.12.2012 – KBE)