US-Forscher haben eine weitere Hürde auf dem Weg zur einer erfolgreichen Gentherapie gegen HIV genommen: Sie konnten zeigen, dass gentechnisch veränderte weiße Blutkörperchen, die gezielt infizierte Zellen zerstören sollen, auch langfristig im Körper überleben. Zudem scheint diese spezielle Form der Behandlung nicht, wie zuvor befürchtet, das Risiko für Leukämien drastisch zu erhöhen. Zwar seien die untersuchten 43 Patienten nach wie vor auf antivirale Medikamente angewiesen, um das HI-Virus zu unterdrücken. Die positiven Ergebnisse der aktuellen Untersuchung zeigten jedoch, dass das System prinzipiell für den Einsatz in der Praxis geeignet sei. Neben dem Kampf gegen HIV könne es möglicherweise auch gute Dienste bei der Behandlung von Krebs und anderen Erkrankungen wie etwa Rheuma leisten, schreiben die Wissenschaftler um John Scholler von der University of Pennsylvania in Philadelphia im Fachblatt „Science Translational Medicine“.
Weiße Blutkörperchen statt Stammzellen
Zellen der körpereigenen Abwehr gezielt gentechnisch so zu verändern, dass sie das HI-Virus selbstständig bekämpfen können, ist seit langem ein wichtiges Ziel im Kampf gegen die Infektionskrankheit. Bisherige Ansätze konzentrierten sich vor allem auf die Stammzellen, die den Nachschub an Blut- und Immunzellen liefern. Zwar gelang es bereits, mit Hilfe von bestimmten Viren als Genfähren zusätzliche Gene in das Erbgut dieser Stammzellen einzuschleusen. Ein hoher Anteil der Behandelten entwickelte allerdings innerhalb von wenigen Jahren nach der Behandlung Leukämien oder andere bösartige Erkrankungen des Blut- oder Immunsystems.
Aus diesem Grund machte die amerikanische Arzneimittelkontrollbehörde FDA bei der Zulassung ähnlicher gentherapeutischer Studien eine Langzeitüberwachung von mindestens 15 Jahren zur Bedingung. Aus einer solchen stammen nun auch die Daten, die Scholler und seine Kollegen jetzt auswerteten: Sie analysierten Proben von insgesamt 43 HIV-Infizierten, die zwischen 1998 und 2002 in eine von drei klinischen Studien aufgenommen worden waren. In allen diesen Studien waren den Patienten T-Zellen entnommen worden – weiße Blutkörperchen, die für die Bekämpfung von körperfremdem Gewebe zuständig sind. Diese Zellen wurden gentechnisch so verändert, dass sie eine typische Struktur auf der Oberfläche von HIV-infizierten Zellen erkennen und bei Kontakt die betreffenden Zellen eliminieren. Anschließend wurden sie den Patienten erneut in den Blutkreislauf gespritzt.
Gefürchtete Nebenwirkungen bleiben aus
Die ersten Ergebnisse lagen bereits nach wenigen Monaten vor und seien recht vielversprechend gewesen, schreiben die Forscher. Offenbar erfüllten die veränderten T-Zellen also tatsächlich die Aufgabe, für die sie entworfen worden waren. Die neue Auswertung zeigte nun zusätzlich, dass keiner der Teilnehmer in den Folgejahren Anzeichen von Blutkrebs oder ähnlichen Erkrankungen aufwies. Zudem waren bei 41 der 43 Patienten weiterhin aktive modifizierte T-Zellen nachweisbar, zum Teil bis zu elf Jahren nach der Behandlung.
T-Zellen scheinen demnach Veränderungen in ihrem Erbgut gutmütiger hinzunehmen als andere Immunzellen, resümieren die Wissenschaftler. Auch gelingt es ihnen offenbar, sich dauerhaft im Organismus einzurichten und sogar stammzellähnliche Funktion zu erfüllen. Das sei eine wichtige Voraussetzung für jeglichen weiteren Fortschritt, schreibt das Team. „Erst wenn man eine sichere Methode hat, Zellen in Patienten mit HIV zu modifizieren, kann man anfangen, auch kurative Ansätze zu entwickeln“, kommentiert Co-Autor Carl June, ebenfalls von der University of Pennsylvania.
(doi: 10.1126/scitranslmed.3003761)
(Science Translational Medicine, 03.05.2012 – ILB)