Psychologie

Gewalt im Videospiel macht uneigennützig

Schuldgefühle nach unmoralischen Aktionen steigern moralisches Gespür

Videospiel-Controller © freeimages

Selbstloses Verhalten durch gewalttätiges Videospiel? Klingt paradox, aber US-Forscher haben tatsächlich Hinweise auf diesen scheinbaren Widerspruch gefunden. Der Grund: Auch wer sich nur virtuell grausam verhält, empfindet unbewusst Schuldgefühle.Dies sensibiliert für moralische Verstöße im realen Leben – man will etwas wieder gut machen. Kulturelle Unterschiede bestimmen allerdings, was als unmoralisch empfunden wird.

Diskussionen über das ausgiebige Spielen am Computer und dessen mögliche Effekte auf das Verhalten gibt es stets aufs Neue. Vor allem die Auswirkungen von gewalttätigen Inhalten wie etwa in Egoshootern sind umstritten: Nach unterschiedlichen Auffassungen machen die Shooter-Games Jugendliche entweder aggressiver, oder nicht.

Terroristen und Friedenshüter

Eine neue Studie unter der Leitung von Matthew Grizzard von der University at Buffalo im US-Bundesstaat New York kommt zu einem Ergebnis, das zunächst widersprüchlich klingt: Gerade besonders unmoralisches Verhalten in einem Videospiel schärft offenbar das Gefühl für moralische Verstöße. Lässt ein Spieler seine Figur im Spiel besonders grausam handeln, so wird er dadurch im echten Leben möglicherweise sogar sozialer eingestellt sein und uneigennützig handeln.

Für ihre Studie ließen Grizzard und seine Kollegen 185 Freiwillige ein Egoshooter-Spiel spielen. Die Versuchspersonen bekamen zufällig eine von zwei Rollen zugewiesen: Entweder sie spielten einen Terroristen oder einen UN-Friedenshüter. Anschließend sollten sie sich an frühere Ereignisse aus ihrem Leben erinnern – die ‚Terroristen‘ an Dinge, bei denen sie sich schuldig gefühlt hatten, die ‚Friedenshüter‘ dagegen an Ereignisse mit neutralen Empfindungen – sie dienten quasi als Kontrolle. Daraufhin folgten ausführliche Fragebögen, um die moralischen Vorstellungen der Spieler sowie die Stärke der empfundenen Schuldgefühle zu erfassen.

Schlechtes Gewissen nach Grausamkeit und Ungerechtigkeit

Wie sich zeigte, waren sich die Spieler in der Terroristenrolle durchaus bewusst, dass ihre Handlungen im Spiel unmoralisch oder brutal waren. Bei Aktionen ihrer Spielfigur, die die Spieler als grausam, gefühlslos, ungerecht oder unangemessen empfanden, hatten sie hinterher ein besonders schlechtes Gewissen. Interessanterweise wirkte sich dies auch auf ihre Bewertung der allgemeinen moralischen Grundsätze aus und auf die Bedeutung, die die Spieler diesen für ihr reales Leben beimaßen. Hatten sie im Spiel die unmoralische Terroristenrolle, ergaben die Fragebögen sogar eine moralischere Haltung als bei der Kontrollgruppe.

Grizzard betont, dass der kulturelle Hintergrund die Ursprünge solcher Schuldgefühle natürlich entscheidend prägt: „Ein Amerikaner, der ein gewalttätiges Spiel ‚als Terrorist‘ spielt, wird das ungerechte und gewalttätige Verhalten seiner Spielfigur als unmoralischer empfinden, als wenn er dieselben Handlungen in der Rolle als ‚UN-Friedenshüter‘ vornimmt.“

Keine moralische Abstumpfung

Bereits in früheren Studien hatte sich gezeigt, dass Schuldgefühle in der Tat soziales, uneigennütziges Verhalten stärken. Offenbar weckt der Verstoß gegen moralische Leitsätze den Wunsch, „etwas wieder gut zu machen“. Grizzard vermutet daher, „dass dieses uneigennützige Verhalten auch dann erfolgt, wenn die Schuldgefühle aus virtuellem Verhalten stammen.“

Statt durch gewalttätige Spiele moralisch abzustumpfen, könnte im Gegenteil das Gespür für moralisch richtiges Verhalten noch verstärkt werden. Auch lediglich gespielte Moralverstöße hätten demnach sehr reale Auswirkungen. (Cyberpsychology, Behavior and Social Networking, 2014; doi:10.1089/cyber.2013.0658)

(University at Buffalo, 30.06.2014 – AKR)

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