Helles Licht ist für viele Migränepatienten unerträglich – doch bestimmte Wellenlängen des sichtbaren Spektrums können sich auch positiv auf die Beschwerden auswirken. Wie Forscher im Fachmagazin „Brain“ berichten, vermag gedämpftes grünes Licht die Symptome einer Migräneattacke zu mindern: In einem Experiment linderte es die Kopfschmerzen von Betroffenen im Schnitt um 20 Prozent.
Rund fünfzehn Prozent aller Menschen leiden unter Migräne. Sucht die Betroffenen eine Attacke heim, löst sie innerhalb von Minuten ein wahres Gewitter im Kopf aus: Lähmende Kopfschmerzen und Übelkeit machen ein Funktionieren im Alltag dann so gut wie unmöglich.
„Mehr als 80 Prozent aller Migräneattacken gehen zudem mit einer erhöhten Lichtempfindlichkeit einher“, sagen Forscher um Rodrigo Noseda von der Harvard Medical School in Boston. Linderung verschaffen oft nur Ruhe und ein abgedunkelter Raum. Allerdings: Nicht alle Formen des Lichts sind Gift für Migränepatienten, wie Nosedas Team nun herausgefunden hat. Manche Wellenlängen vermögen die Symptome sogar zu lindern.
Gedämpftes grünes Licht hilft
Die Wissenschaftler haben untersucht, wie sich unterschiedliche Bereiche des sichtbaren Spektrums auf die Intensität einer Attacke auswirken. Dafür setzten sie 41 Patienten während eines akuten Migräneanfalls abwechselnd vor eine Lichtmaschine, die blaues, grünes, gelbes und rotes Licht in unterschiedlichen Intensitäten aussandte. Nach jedem Durchlauf sollten die Versuchsteilnehmer auf einer Skala angeben, ob und inwiefern sich ihre Symptome durch das Licht verändert hatten.
Dabei zeigte sich: Fast 80 Prozent der Patienten empfanden Licht extremer Helligkeitsstufen als unangenehm und berichteten, dass ihre Kopfschmerzen dadurch deutlich stärker geworden seien – mit einer Ausnahme: Grünes Licht wirkte sich bedeutend weniger schlimm auf die Migräneattacke aus.
Drosselten die Forscher die Helligkeit, hatte das Licht dieser Wellenlängen sogar eine lindernde Wirkung, wie Noseda und seine Kollegen berichten. Demnach gaben die Probanden an, dass die Stärke ihres Kopfschmerzes im Schnitt um 20 Prozent sank, wenn sie umgeben von schwachem, grünem Licht waren.
Sonnenbrille für Migränepatienten?
Diesen Effekt konnten die Wissenschaftler auch an der Gehirnaktivität der Patienten ablesen: Sie wiesen nach, dass blaues und rotes Licht in der Netzhaut und im Kortex des Gehirns die stärksten elektrischen Impulse auslöst, wohingegen grünes Licht die geringste Reaktion erzeugt. Experimente mit Tieren zeigten zudem: Auch im Thalamus reagieren Neuronen auf grünes Licht am schwächsten – dieser Bereich des Gehirns ist dafür zuständig, Informationen vom Auge zum Kortex weiterzuleiten.
„Unsere Erkenntnisse sind für viele Patienten eine echte Hoffnung und zeigen einen vielversprechenden Ansatz für weitere Forschung auf“, schließen die Forscher. Sie hoffen, dass sich die Ergebnisse künftig bei größeren Probandengruppen bestätigen lassen.
Bis Patienten die Lichttherapie Zuhause ausprobieren können, wird es aber wohl noch dauern. Denn Nosedas Team zufolge sind die speziellen Glühbirnen, die einen Raum in pures, grünes Licht von geringer Intensität tauchen, für den Hausgebrauch bislang zu teuer. Die Forscher wollen nun kostengünstigere Lampen entwickeln – und arbeiten zudem an einer bezahlbaren Sonnenbrille, die nur die für Migränepatienten angenehmen Wellenlängen des sichtbaren Spektrums durchlässt. (Brain, 2016; doi: 10.1093/brain/aww119)
(Beth Israel Deaconess Medical Center, 23.05.2016 – DAL)